Kopflose Klinikschließungen

Im Essener Norden stehen gleich zwei Krankenhäuser vor dem Aus

Essen in der Mitte des Ruhrgebiets ist seit Jahrzehnten eine zweigeteilte Stadt. Quer durch die Stadt verläuft die Autobahn 40. Die Stadtteile im Norden der Autobahn sind überproportional von Armut betroffen. Diese Zweiteilung führt seit Langem zu Konflikten. 2016 organisierte der heutige AfD-Europaabgeordnete Guido Reil, damals noch SPD-Mitglied, eine Demonstration gegen die Unterbringung Geflüchteter im Norden. Reil erhielt dafür viel Zuspruch. Einwohner des Nordens hatten das Gefühl, dass ihre Stadtteile besonders belastet werden.

Dieser Eindruck erhält in diesen Tagen neue Nahrung. Die katholische Contilia Gruppe plant die Schließung von zwei Krankenhäusern im Essener Norden. Übrig bleiben würde hier nur eine Klinik. Das ist schlecht, denn die Stadtteile sind nicht gut verbunden. Wer aus dem Stadtteil Stoppenbeck, wo das St. Vincenz Krankenhaus geschlossen werden soll, nach Borbeck möchte, wo es weiterhin ein Krankenhaus gibt, ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln eine Stunde unterwegs. Von wohnortnaher medizinischer Versorgung kann so kaum noch die Rede sein. Das treibt die Gewerkschaft verdi um - nicht nur wegen der Sorge um die Zukunft der Beschäftigten. Bezirksgeschäftsführerin Henrike Eickholt verweist auf ein aktuelles Statement des Katholischen Krankenhausverbandes Deutschland, in dem die Wichtigkeit wohnortnaher medizinischer Versorgung betont wird. »Man kann sich doch nicht damit rühmen, zur wohnortnahen medizinischen Versorgung beizutragen und gleichzeitig den Menschen im Essener Norden diese Versorgung wegnehmen!«, so die Gewerkschafterin. »Da weiß doch die eine Hand nicht, was die andere tut!«

Noch deutlicher wird die Essener Linke. Die Contilia Gruppe habe »kein Konzept für ihr Vorgehen«. Anfang des Jahres sei von einem Verkauf der beiden Krankenhäuser die Rede gewesen, nun sei deren Schließung geplant. Contillia handele »unverantwortlich und kopflos«, so die Fraktionsvorsitzende der Linken im Essener Stadtrat, Gabriele Giesecke. Sie sieht die Krankenhaus- und Gesundheitsversorgung im Essener Norden »massiv gefährdet«. Dass die Schließungen zudem bis Jahresende durchgezogen werden sollen, hält die Ratsfrau für »völlig unakzeptabel«. Bis dahin könne die Gesundheitsversorgung in den Stadtteilen keinesfalls neu aufgestellt werden. »Die Contilia-Gruppe hat mit ihrem verantwortungslosen Handeln scheinbar nur ihre eigene Bilanz im Blick, mit der es nicht zum Besten steht«, so Gabriele Giesecke. Die Linke fordert nun, dass die Stadt möglichst bald eine Konferenz mit allen Akteuren einberuft, in der ein Gesamtkonzept der Gesundheitsversorgung diskutiert werden soll.

Von Essens christdemokratischem Oberbürgermeister Thomas Kufen gab es lange nur zurückhaltende Meldungen und allgemeine Bekenntnisse zur Verantwortung der Stadt. Nun hat er die Contilia-Gruppe darum gebeten, »keine Fakten zu schaffen«, bevor es eine Lösung für die Gesundheitsversorgung gibt. Er werde den Norden »nicht im Stich lassen«. Wenn es notwendig sei, baue die Stadt ein »medizinisches Zentrum, in dem eine ambulante sowie stationäre Versorgung gewährleistet ist«. Dass die Stadt eines der Krankenhäuser übernimmt und betreiben könnte, hält Kufen allerdings für ausgeschlossen.

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