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»Kein Platz für Nazis, kein Willkommen für Nazis«

1200 Menschen im ostthüringischen Altenburg protestieren gegen eine AfD-Kundgebung

  • Lesedauer: 4 Min.

Vergangene Woche hatte der Oberbürgermeister von Altenburg mit seiner klaren Ansage an AfD-Politiker, die in seiner Stadt einen Auftritt planten, Schlagzeilen gemacht: »Herr Höcke, Herr Kalbitz, Sie sind in Altenburg nicht willkommen!«, schrieb André Neumann (CDU) auf seinem Twitterkanal. Und kündigte an: »Sehr viele Menschen werden Ihnen diese Botschaft am 16. Juli friedlich rüberbringen.«

Inzwischen musste Neumann seinen Tweet laut Gerichtsbeschluss entfernen: Als Amtsinhaber muss er auch bei dem Besuch zweier »Nationalsozialisten«, wie er Höcke und Kalbitz nannte, neutral bleiben.

Nicht neutral blieb dafür ganz Altenburg: Schon bevor die AfD am Donnerstagnachmittag ihre Bühne auf dem Altenburger Markt aufbauen konnte, flatterten von den Häusern Regenbogenfahnen und ein Schild mit der Aufschrift »Wir stehen für Menschlichkeit und Toleranz«. 1200 Menschen versammelten sich bis zum Abend in der Innenstadt. Mit Trommeln, Sprechchören, Musik, Poesie und Transparenten demonstrierten sie gegen die AfD-Kundgebung, die vor allem Spitzen des (formell) aufgelösten rechten Parteiflügels hofierte.

Aufgerufen hatte das breite »Aktionsbündnis für Demokratie und Solidarität Altenburger Land«, das von Verteter*innen aller demokratischen Parteien und zahlreichen gemeinnützigen Vereine unterstützt wurde. Torge Dermitzel, Sprecher des Bündnisses und Linke-Politiker in Thüringen, sagte zu Anfang der Demo gegenüber nd: »Ich hoffe, dass wir heute ein starkes Zeichen gegen rechte Hetze setzen können - gerade für diejenigen, die in diesem Land immer wieder direkt davon betroffen sind.«

Auch Oberbürgermeister Neumann nahm an der Demonstration teil. »Wir müssen laut sein und noch deutlicher und noch klarer für unsere Demokratie einstehen«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Ziel müsse es sein, diejenigen zu mobilisieren, die bisher schwiegen.

Schon in den vergangenen Tagen erhielt Neumann in den sozialen Netzwerken viel Zuspruch. Zu den prominentesten Stimmen gehörte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). »Aber als Mensch haben Sie eine klare Haltung und ich danke Ihnen dafür. Kein Platz für Nazis, kein Willkommen für Nazis, keine Zusammenarbeit mit Nazis!«, schrieb Ramelow auf Twitter.

Neumann hatte vorige Woche auf Twitter und Facebook geschrieben: »Die Neutralität eines Oberbürgermeisters hört bei dem Besuch von zwei Nationalsozialisten auf.« Und weiter: »Herr Höcke, Herr Kalbitz, Sie sind in Altenburg nicht willkommen!« Dagegen war Höcke juristisch vorgegangen, das Verwaltungsgericht Gera hatte dem Eilantrag am Mittwoch stattgegeben. Nach Ansicht der Richter hatte Neumann gegen das Neutralitätsgebot für Amtsinhaber verstoßen. Sollte er den Tweet nicht löschen, wurde ein Ordnungsgeld von 10.000 Euro angedroht.

Der Aufforderung kam Neumann nach - bekräftigte aber mit einem Kniff seine Position. Auf Twitter schrieb er: »Als Oberbürgermeister darf ich laut Gerichtsbeschluss über Höcke und Kalbitz nichts zu meinem Willkommensempfinden schreiben. Okay! Ich bin froh, in einem Rechtsstaat zu leben, der auch auf alle Rechte aufpasst.« Dazu teilte der Christdemokrat den Screenshot eines Berichts über sein ursprüngliches Posting - die Kritik am geplanten Auftritt von Höcke und Kalbitz war dadurch weiterhin sichtbar.

Auf Twitter erntete er damit viel Zuspruch. »Der Widerstand gegen Nationalsozialisten muss gesellschallschaftlicher Konsens sein«, kommentierte ein Nutzer. Ein anderer schrieb: »Danke für soviel Courage! Schade dass es, hier bei uns in Ostdeutschland, nur so wenige von Ihrem Kaliber gibt.« Bis zum Abend wurde Neumanns Tweet mehr als 1300 Mal kommentiert oder weiterverbreitet und fast 7400 Mal gelikt - mehr als drei Mal so viel wie die Zahl der Follower des 42-Jährigen.

Auch jenseits des Internets erhalte er sehr viel Zuspruch, sagte Neumann. »Die Reaktionen sind zu 95 Prozent positiv.« Sein Tweet habe durch das Urteil noch eine weitaus größere Aufmerksamkeit erhalten als zuvor, betonte der CDU-Mann. Ziel müsse es sein, dass Bürger und Politiker in Kommunen, Land und Bund noch stärker als bisher Antidemokraten wie Höcke und Kalbitz entgegentreten.

In seiner Altenburger Rede - nach Polizeiangaben vor rund 400 Zuschauern - sagte Höcke über Neumann: »Er scheint ein Zeitgeistsurfer zu sein.« Der Regierung warf er Versagen im Umgang mit dem Coronavirus vor.

Seine Anhänger hielten derweil Schilder hoch mit Slogans wie »Opas gegen links« und »Gib Gates keine Chance«. Einen Mundschutz trugen sie nicht; anders als die umstehenden Polizisten und viele Gegendemonstranten hinter der Polizeiabsperrung auf der anderen Marktseite. Kalbitz, AfD-Fraktionschef im Landtag von Brandenburg, ging bereits zu Beginn von Höckes Rede wieder. dpa/nd

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