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Zurück in der Realität
Peter Steiniger über den EU-Sondergipfel zur Wirtschaft
Mit den seit Corona so beliebt gewordenen zärtlichen Ellenbogenchecks begrüßten sich am Freitag in Brüssel die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten. In ernster Lage geht es um die schönste Sache der Welt - um die, bei der leider die Freundschaft meist aufhört: viel, viel Geld. Damit sollen Schäden der Coronakrise behoben und die Wirtschaft wieder angekurbelt werden. Bereits im Vorfeld des zweitägigen Gipfels zu Milliardenpaketen und EU-Haushalt war man sich nichts schuldig geblieben. Bilateral gab es kräftiges Fingerhakeln: Nord gegen Süd, Arm gegen Reich.
Gestritten wird um Summen und darüber, ob man die Finanzmärkte endlich günstiger gemeinsam anpumpt. Und auch über Bedingungen für Zuschüsse. Die riechen schon wieder nach Troika. Vorgeschlagen sind auch Auflagen für EU-Gelder, etwa zur Rechtsstaatlichkeit. Kein Wunder, dass Länder wie Ungarn oder Polen mit Veto drohen. Vielleicht sollten solche Auflagen auch mal scheinheiligen Waffenexporteuren gemacht werden.
Einmal mehr wird es nicht fehlen an schönen Worten zu europäischer Solidarität und gemeinsamen Werten, von einem Neuaufbruch und Wiederaufbau ganz in Grün. Das wünschen sich auch Umweltverbände, sechs deutsche machten sich vor dem Treffen bei Kanzlerin Angela Merkel dafür stark, die Bekämpfung der Klimakrise zum Leitziel der Erholungspläne zu machen, nicht nur auf dem Papier. Absehbar ist: Herauskommen wird in Brüssel bestenfalls ein fauler Kompromiss, der dann als Durchbruch gilt. Die Solidarität zwischen den EU-Ländern trägt Preisschilder. Eine selbstlose Angelegenheit ist sie nicht. Der Honigmond der Alternativen ist vorbei. Ein dank Coronas-Schock geläuterter Kapitalismus steht nicht vor der Tür. Interessengeleitete Realpolitik schwingt in der EU wieder das Zepter.
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