Hohe Hürden für verkaufsoffene Sonntage
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig
Verkaufsoffene Sonntag sind heiß umstritten, aber bundesweit nicht einheitlich geregelt. Sie werden je nach Bundesland, Stadt oder Kommune unterschiedlich gehandhabt. Der Gesetzgeber sieht vor, dass nur vier verkaufsoffene Sonntage pro Jahr eine Genehmigung erhalten sollen. Dabei muss ein Anlass - ein Straßenfest oder eine Messe - vorliegen, damit dem gestellten Antrag stattgegeben werden kann.
Während Bundesländer, wie Bayern, Niedersachsen, Hessen oder Hamburg sich vorwiegend an das Bundesgesetz mit einer Freigabe von maximal vier verkaufsoffenen Sonntagen halten, bewegen sich Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen mit sechs, acht bzw. elf genehmigten Sonntagen an der Spitze im Bundesgebiet.
Nunmehr hat sich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 22. Juni 2020 erneut mit diesem Thema beschäftigt und seine bisherige Rechtsprechung, die hohe Hürden vorsieht, bestätigt. Die Richter änderten zwei Urteile des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Mannheim und des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Münster ab, die die Hürden niedriger gesetzt hatten. Zugrunde lagen jeweils Klagen der Gewerkschaft Verdi gegen Sonntagsöffnungen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.
Der Streit hatte sich an einer Prognoseregel entzündet, die das Bundesverwaltungsgericht im Urteil von 2015 festgelegt hatte. Die Kommunen müssen demnach belegen, dass ein Fest oder ein Markt für sich genommen mehr Besucher anzieht als eine Sonntagsöffnung ohne diese Veranstaltung. VGH und OVG waren von der »Prognoserechtsprechung« des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen, weil sie den verfassungsrechtlich vorgegebenen Bogen überspanne.
In der Klage zu Baden-Württemberg ging es um die Kommune Herrenberg, die verkaufsoffene Sonntage in der ganzen Stadt anlässlich ihres historischen Handwerkermarktes und ihrer Herbstschau gestattet hatte. Zwei Sonntagsöffnungen sind eine weniger, als das Ladenöffnungsgesetz des Landes den Kommunen erlaubt.
Der VGH hatte geurteilt, dass diese klare Begrenzung der Höchstzahl schon ausreiche, um den Mindestanforderungen der Verfassung gerecht zu werden. Zudem hatte er nur eindeutig erkennbare Alibiveranstaltungen - zum Beispiel eine Hüpfburg vor dem Möbelhaus - als Anlässe aussortiert.
Das Bundesverwaltungsgericht betonte dagegen, dass die jeweilige Veranstaltung den Tag klar prägen müsse. Sie dürfe nicht nur ein Anhängsel der erwünschten Sonntagsöffnung sein. Um das zu belegen, hält der Senat an seiner Prognoseregel fest. Die Annahmen zu den Besucherströmen müssten »schlüssig und vertretbar« sein. Dass Herrenberg allen Geschäften die Sonntagsöffnung gestattete, sei auch nicht zulässig gewesen, denn die Veranstaltungen hätten nicht in alle Ortsteile ausgestrahlt.
In dem nordrhein-westfälischen Fall ging es um eine »Blaulichtmeile« in Mönchengladbach im Jahr 2019. Das Land hatte sein Ladenöffnungsgesetz 2018 geändert und im öffentlichen Interesse maximal acht verkaufsoffene Sonntage erlaubt. Es gestattet unter Umständen, auf eine Prognose zu den Besucherströmen zu verzichten.
Im Fall der »Blaulichtmeile« hätte es aus Sicht der Bundesrichter aber dennoch einer Analyse bedurft. Denn dort öffnete auch ein großes Einkaufszentrum, in dem 104 der rund 150 offenen Läden untergebracht sind. Somit durfte in Mönchengladbach nicht von der Vermutung ausgegangen werden, dass die »Blaulichtmeile« die Hauptattraktion gewesen ist, so der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts. dpa/nd
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