Paritätischer: Regierung rechnet Hartz-IV-Regelsätze weiter klein

Spielräume nach Urteil des Bundesverfassungsgerichts werden ausschließlich für Kürzungen genutzt

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Der Paritätische Wohlfahrtsverband wirft der Bundesregierung vor, die Hartz-IV-Regelsätze weiterhin systematisch kleinzurechnen. Die Politik nutze die vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten Spielräume ausschließlich zur Kürzung, kritisierte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Ulrich Schneider, am Mittwoch in Berlin. Das Ergebnis seien realitätsferne Leistungen, sagte Schneider. Für den gesamten Hygienebedarf von Babys und Kleinkindern etwa hätten die Eltern 7,66 Euro im Monat zur Verfügung, Windeln inklusive.

Der Gesetzentwurf zur Neufestlegung der Regelsätze für Hartz-IV- und Grundsicherungsempfänger befindet sich gegenwärtig in der regierungsinternen Abstimmung, wie das Bundesarbeitsministerium dem Evangelischen Pressedienst (epd) bestätigte. Im Zuge dessen werden auch die Sozialverbände um eine Stellungnahme gebeten. Die meisten kritisieren seit Jahren die Methodik der Berechnung, die mit nicht nachvollziehbaren Abschlägen zur Kostensenkung verbunden sei.

Schneider sagte: »Was wir bei der Berechnung der Regelsätze erleben, ist keine Statistik, sondern ihr Missbrauch.« Wenn die Bundesregierung das von ihr selbst gewählte Statistikmodell konsequent und methodisch sauber anwenden würde, müsste der Regelsatz laut Schneider für das kommende Jahr nicht bei 439 Euro, sondern bei mehr als 600 Euro liegen. Die Leistungen für Kinder und Jugendliche, die noch einmal deutlich niedriger lägen, entbehrten jeder seriösen statistischen Grundlage, bilanzierte der Verbands-Chef. Insbesondere das Ziel, zumindest in bescheidenem Rahmen Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen, werde deutlich verfehlt.

Corona droht Kinderarmut zu verschärfen
2,8 Millionen unter 18-Jährigen leben laut einer Studie in Armut

Die Regelsätze für die Grundsicherung werden ungefähr alle fünf Jahre per Gesetz neu festgelegt. Dafür werden die Ausgaben der unteren Bevölkerungsschichten herangezogen und um diverse Posten gekürzt. In den Jahren dazwischen werden die Sätze fortgeschrieben, anhand der Preisentwicklung für die Waren, die im Regelsatz enthalten sind sowie der Nettolohnentwicklung. Anfang dieses Jahres führte das zu einer Erhöhung von 8 auf 432 Euro im Monat für einen alleinstehenden Erwachsenen.

Berücksichtigt sind Ausgaben für den monatlichen Bedarf an Lebensmitteln, Kleidung, Hygiene, Mobilität, Kommunikation und die sogenannte soziale Teilhabe, also etwa eine Kinokarte. epd/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.