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Wasser Marsch für die Renaissance
Äthiopien, Ägypten und Sudan verkünden Annäherung bei umstrittenem Staudammprojekt
Spätestens seit Baubeginn im April 2011 standen die Zeichen dauerhaft auf Eskalation: Denn während Äthiopien mit dem großspurigen Bauprojekt hofft, einen Großteil der 110 Millionen Einwohner aus der Armut zu ziehen, indem man die Strom- und Wasserversorgung des Landes für die nächsten Generationen sichert, geht es bei dem Staudamm für Ägypten und Sudan ums nackte Überleben. Entsprechend heftig waren die Wortgefechte; bis vor kurzem stand sogar ein Krieg zwischen den drei Ländern im Raum. Dieser wurde vor allem vom ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah el-Sisi angedroht. Denn das ägyptische Pfund befindet sich seit Jahren in einer schweren Krise, entsprechend angespannt ist die Stimmung im Land. Fast die komplette Landwirtschaft ist vom Fluss Nil abhängig, und damit auch die Existenz von Millionen Ägyptern.
Nun verkündete am Dienstag der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed, sein Land, Ägypten und der Sudan hätten eine »bedeutende Übereinkunft erreicht, die den weiteren Weg für ein gemeinsames Abkommen ebnen wird«. Am Wochenende war eine Telefonkonferenz zwischen den drei Staaten sowie Vertretern des Kongo, Mali, Kenia und Südafrika einberufen worden. Zuvor waren Satellitenbilder an die Öffentlichkeit gelangt, die den Beginn der Inbetriebnahme durch starke Wasseranstauungen im zukünftigen Flutbecken des Damms zeigen.
Die äthiopische Regierung, die anfangs noch die Wasseransammlungen mit der alljährlichen Regenperiode begründete, hat mittlerweile eingeräumt, dass diese Entwicklung »auf die entsprechende Konstruktionsphase des Dammes« zurückzuführen ist. Die nun zu verlautenden versöhnlichen Töne stehen im krassen Gegensatz zu den Spannungen der vergangenen Jahre. Erst im Oktober 2019 hatte Abiy Ahmed gesagt: »Keine Kraft kann Äthiopien davon abhalten, diesen Staudamm zu bauen. Sollte es notwendig werden, dafür in den Krieg zu ziehen, werden wir Millionen mobilisieren.«
Die 1,8 Kilometer lange und 145 Meter hohe Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre soll bereits in den kommenden Jahren in Betrieb genommen werden, die vollständige Flutung des Beckens, das ein Gesamtvolumen von 66 Kubikkilometern und eine Fläche von über 1500 Quadratkilometer haben soll, könnte zwischen fünf und 15 Jahre dauern. Genau hier liegt auch der zentrale Streitpunkt zwischen den Ländern. Sollte Äthiopien bei der Füllung des Beckens eilen und innerhalb weniger Jahren die maximale Staukapazität des Damms erreichen, würden der Sudan wie auch Ägypten dies durch einen extremen Rückgang des Nils zu spüren bekommen. Bei möglichen Dürreperioden, die sich in der Region über mehrere Jahre hinweg ziehen können, stellt sich zudem die Frage, wie viel Wasser Äthiopien den Ländern gewähren würde. »Wenn sich bei diesen Schlüsselpunkten eine Einigung erzielen lässt, werden sich die übrigen Fragen von selbst beantworten«, sagte deshalb der sudanesische Minister für Bewässerung, Yasser Abbas.
Die Idee für den Staudamm, der nach Fertigstellung insgesamt 6000 Megawatt Strom generieren soll, stammt bereits aus den 1960er Jahren. Doch diverse politische Turbulenzen, darunter der Staatsstreich durch die marxistisch-leninistische Militärjunta Derg im Jahr 1974, verzögerten das Projekt bis ins 21. Jahrhundert. Im Jahr 2011 erteilte die äthiopische Regierung den Bauauftrag offiziell der italienischen Firma Webuild SpA - damals noch Salini Impregilo.
Durch das Flutbecken soll eine Fischereiindustrie mit einer Kapazität von circa 7000 Tonnen im Jahr entstehen. Neben dem eigenen Energiebedarf will Äthiopien Strom in Nachbarländer wie Sudan oder auch Djibouti und Kenia liefern. Dazu will man um den Damm herum diverse Attraktionen und Hotelanlagen für Touristen bauen. Über die Folgen des Damms für die Umwelt ist bislang wenig bekannt. Das liegt auch daran, dass die äthiopische Regierung eine rigide Informationspolitik betreibt, wenn es um das Prestigeprojekt geht. So wurde etwa im Juni 2011 die Journalistin Reeyot Alemu verhaftet, nachdem sie wiederholt kritische Fragen zu Umweltfolgen des Megaprojekts gestellt hatte.
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