Mitte verpetzt Mieter an Eigentümer

Bezirk gibt den Namen eines Bewohners weiter, der Zweckentfremdung angezeigt hatte

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Wohnung nebenan steht schon lange leer, aus der im Erdgeschoss ist ein Büro geworden, und ein Stockwerk darüber ziehen jede Woche neue Touristen ein? Dann ist es gut möglich, dass es sich um unerlaubte Zweckentfremdungen handelt. Seit 2014 ist es verboten, Wohnraum ohne Genehmigung beispielsweise in Büros oder Ferienwohnungen umzuwandeln. Doch um Verstöße zu entdecken, sind die Bezirke auf die Hilfe von Mietern angewiesen, die verdächtige Wohnungen melden. Blöd nur, wenn die Eigentümer vom Bezirk davon erfahren. In Mitte soll das nun passiert sein.

»Der Fall des Mieters aus der Huttenstraße 71 hat gezeigt, wie problemlos ein Eigentümer an Mieterdaten gelangt«, sagt Wolfgang Lehmann. Der Grünen-Bezirksverordnete kritisiert, dass der Anwalt eines Eigentümers, dessen Wohnung gemeldet worden war, bei der Akteneinsicht den Namen des meldenden Mieters erfahren hatte, »obwohl dem Mieter die Anonymität von den Mitarbeiter*innen des Amtes zugesagt wurde«. Dass sich das negativ auf das Mietverhältnis auswirken kann, liegt auf der Hand. Im konkreten Fall steht der Eigentümer, Berlin Aspire, ohnehin in der Kritik, Mieter loswerden zu wollen, weil sich leere Wohnungen besser verkaufen lassen. Die zuständige Bezirksstadträtin, Ramona Reiser (Linke), sieht darin jedoch kein Problem. »Nach Rücksprache mit dem Fachbereich Zweckentfremdung kann ich nicht bestätigen, dass der betroffene Mieter im Vorfeld eine Anonymisierung angezeigt hat«, sagt sie dem »nd«. Eine Anonymisierung sei dem Mieter von der Verwaltung auch nicht versprochen worden, behauptet sie.

Lehmann hingegen hält den konkreten Fall für einen »Skandal«: »Schlimmer ist allerdings die Tatsache, dass so etwas allen Bürger*innen passieren kann, die beim Wohnungsamt Mitte Zweckentfremdungen von Wohnraum anzeigen.« Mit einer Anfrage an das Bezirksamt hat der Grünen-Politiker den Umgang mit den Meldungen von Bürgern in Erfahrung gebracht. Grundsätzlich erhalten die Eigentümer keine Kenntnis darüber, wer sie gemeldet hat, heißt es in der Antwort der Bezirksstadträtin. »Voraussetzung ist, dass der*die Anzeigende erklärt, anonym bleiben zu wollen.« Dabei ist fraglich, ob meldende Bürger überhaupt wissen, dass ihre Daten im Rahmen eines Gerichtsprozesses Teil der für den Vermieter einsehbaren Akten werden können. Auf dem Meldeportal gibt es dazu jedenfalls keine Hinweise. Zwar ist die Angabe von Kontaktdaten freiwillig. Was mit diesen geschieht, wenn man sie angibt, wird jedoch nicht erklärt. Relevant ist das, weil etwa in Mitte nur in 50 Prozent der Meldungen eine Anonymisierung gewünscht wird.

Andernorts ist das transparenter gelöst. Auf dem Portal der Stadt München wird erklärt, dass angegebene Personendaten im Rahmen einer Akteneinsicht an den Vermieter gelangen können. Auch braucht man dort nur per Häkchen auszuwählen, ob man gänzlich anonym bleiben möchte oder die Daten zumindest vor der Einsicht geschwärzt werden sollen. Die Bezirksstadträtin von Mitte will die Münchener Lösung nun prüfen, verweist aber an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, die für das Meldeportal zuständig ist. Dort wiederum heißt es: »Das Meldesystem ist in sich ›datendicht‹. Was dann mit den Daten bei den Bezirken geschieht, hat nichts mehr mit dem Meldeportal zu tun und unterliegt der Verantwortung der Bezirke.« Laut Senatsverwaltung ist es Aufgabe des Bezirks, schützenswerte Daten Dritter vor einer Akteneinsicht zu schwärzen.

Lehmann hat sich unterdessen an Berlins Datenschutzbehörde gewandt. Dort habe man ihm signalisiert, dass es datenschutzrechtliche Bedenken bezüglich des Falls in Mitte gebe. Eine nd-Anfrage an die Datenschutzbeauftragte blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

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