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Angst ist immer ein Thema

Initiative Opferperspektive hat einen Bericht zu rechter Gewalt in Brandenburg verfasst.

  • Philip Blees
  • Lesedauer: 5 Min.

Spätabends in Beeskow. Eine Schwarze Familie, die bereits längere Zeit dort lebt, ist nach einem gemeinsamen Abendessen mit Freunden mit ihren noch jungen Kindern auf dem Heimweg. Sie treffen auf eine Gruppe von etwa zehn Heranwachsenden, die sofort aggressiv auf die Familie reagieren und sie rassistisch beleidigen. Ein junger Mann aus der Tätergruppe kommt auf sie zu und greift die Kinder im Schulalter an. Er schlägt auch deren Mutter von hinten gegen den Rücken, sodass die Frau zu Boden geht und sich dabei Verletzungen zuzieht. Das war in der Silvesternacht 2019.

Es ist einer von 142 Angriffen, den der Verein Opferperspektive im Vorjahr in Brandenburg registriert hat: Gewalttaten, massive Bedrohungen und schwere Sachbeschädigungen gegenüber von Rassismus betroffenen Personen und Antifaschist*innen. »Erhöhte Bedrohungslage« titelt das Beratungsangebot im neu erschienenen Schattenbericht, den der Verein zweimal im Jahr herausgibt. Das lässt aufhorchen. »Die Leute haben mehr Angst«, sagt Judith Porath, Geschäftsführerin der Opferperspektive, zu »nd«. Die Anschläge in den letzten Monaten haben die Stimmung verändert. Halle, Hanau und der Mord an Walter Lübcke hinterlassen Spuren bei den Ratsuchenden, die von Mitarbeitern des Projekts betreut werden. »Das merkt man auch in Brandenburg. Das war Thema in jedem Beratungsgespräch.« Gerade von Rassismus Betroffene hinterfragten jeden ihrer eigenen Schritte und hätten das Gefühl, dass jeden Moment Anschläge auf sie verübt werden könnten. Das ist nicht unbegründet.

In den vergangenen Wochen seit den einsetzenden Corona-Lockerungen hat die Opferperspektive wieder vermehrt Angriffe auf der Straße registriert. Rassismus ist dabei das größte Thema. Oft sind es keine organisierten Neonazis, sondern Rassist*innen, die spontan zuschlagen. Die angeschlossene Antidiskriminierungsstelle hat im Juni so viele Fälle registriert wie noch nie in den zehn Jahren ihres Bestehens.

Das Brandenburger Innenministerium verweist auf Anfrage von »nd« auf den im Juni vorgestellten »Maßnahmenplan im Kampf gegen Rechtsextremismus«. Neben der angestrebten Verstärkung der Prävention - online und offline - wird es darin auch konkreter: Das Land möchte die Zivilgesellschaft stärken und zudem eine neue Stelle im Landeskriminalamt einrichten, die nur für das Thema rechte Gefährder zuständig ist. Zusammen mit Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt wird ein Frühwarnsystem weiterentwickelt.

Gesetzlich gibt es noch Handlungsbedarf: Der sogenannte Verfassungstreue-Check, bei dem Bewerber*innen auf Stellen im öffentlichen Dienst geprüft werden sollen, und die Einstufung von einzelnen Personen als »rechtsextrem«, auch wenn sie keiner dezidierten Organisation angehören, sondern sich beispielsweise über das Internet radikalisieren, bedürfen einer Gesetzesgrundlage. Der Innenminister prüfe zurzeit die Umsetzung, teilt ein Sprecher von Innenminister Michael Stübgen (CDU) mit.

Lob gibt es dafür von der Linken: »In vielen Bereichen sind die Maßnahmen sinnvoll«, sagt deren Landtagsabgeordneter Andreas Büttner zu »nd«. Der Innenminister gehe konsequent vor, die Richtung sei gut. Besonders die Maßnahmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden seien wichtig. Dass ein Test auf Verfassungstreue allerdings alle Probleme löse, bezweifelt Büttner: »Der Verfassungsschutz ist vielleicht nicht das richtige Instrument.« Dennoch müsse man die Fälle um rechte Netzwerke in den Sicherheitsbehörden wie den Verein Uniter weiter untersuchen. Ein - mittlerweile ehemaliges - Mitglied ist Dozent an der Polizeihochschule in Oranienburg. Zwei weitere Beamte sollen über 100 Datenabfragen ohne dienstlichen Bezug gestellt haben. Im Brandenburger Maßnahmenplan wird dieses Thema im Gegensatz zu anderen Behörden in der Republik nicht unterschlagen oder kleingeredet: »Null Toleranz gegenüber Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden« fordert das Ministerium. Mit Fortbildungsprogrammen und einem anonymen Hinweisportal soll gegen »rechtsextremistische Einflüsse in den eigenen Reihen« vorgegangen werden. Ob so nur einige schwarze Schafe in der Behörde entfernt oder auch strukturelle Probleme des Apparats diskutiert werden, bleibt offen.

Andererseits wird auch die Polizei von rechten Gruppen angefeindet, wie Innenexperte Büttner - selbst Polizist - zuletzt kritisierte (»nd« berichtete). Doch nicht nur das: »Die Gesamtsituation im Land bleibt besorgniserregend«, sagt er zu »nd«. Im Süden, aber auch im Norden von Brandenburg verzeichne man konstant mehr als 100 rechte Straftaten pro Monat. »Das ist schon ein hohes Niveau«, so Büttner, der jedoch auf den leichten Rückgang im Jahr 2019 hinweist. Die Zahlen, auf die sich der Innenexperte beruft, basieren auf Statistiken der Polizei. Dabei gebe es zusätzlich eine hohe Dunkelziffer.

Verantwortlich für die rechte Gewalt macht Büttner auch die bestehenden rechten Organisationen. Die neonazistische Partei »Der III. Weg« hat drei ihrer sogenannten Stützpunkte im Bundesland. »Es gibt gut organisierte Strukturen«, so der Linke-Politiker. Zuletzt habe er das bei einer Demonstration in Angermünde gemerkt. Dort hatte ein zivilgesellschaftliches Bündnis gegen die AfD demonstriert. Spontan marschierten die Neonazis mit rund 30 Personen auf. Das zeige ihren Organisationsgrad.

Eine Lösung könnte, geht man nach dem Maßnahmenplan und auch Büttners Vorstellungen, die Zivilgesellschaft sein. »Wir dürfen an diesen Stellen nicht sparen«, sagt Büttner. Und das geschieht auch nicht: Mit Bundesmitteln wird nun die Förderung der Opferperspektive erweitert, und der Trägerverein kann im Herbst ein zusätzliches Büro in Cottbus eröffnen. »Wir haben sehr darum gekämpft«, sagt die Geschäftsführerin Judith Porath. Bald kann also auch dort beraten werden. Vielleicht ein kleiner Sicherheitsgewinn für die Betroffenen.

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