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Ryanair will mit Coronakrise sparen
Das Management des Billigfliegers fordert mehr Flexibilität und Einschnitte beim Lohn von seinen Angestellten
Der weitgehende Stillstand im Luftverkehr durch die Coronapandemie hinterlässt tiefe Spuren in der Branche. Zwischen April und Juni machte Ryanair einen Verlust von 185 Millionen Euro, wie der Billigflieger am Montag mitteilte. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 243 Millionen Euro Gewinn. Mit Jobvernichtung, Standortschließungen und dem Rückhalt der EU-Kommission setzt die Konzernführung alles daran, um den jüngsten Einbruch bei Umsatz und Passagierzahlen zu überwinden, die Marktposition offensiv zu stärken und gegen alle Widerstände als Krisengewinnler aus dem Geschehen hervorzugehen. Die Kriegskasse ist prall gefüllt.
So lassen Meldungen über die Konfrontation des Ryanair-Managements mit den Gewerkschaften aufhorchen. Konzernchef Michael O’Leary verlangt massive Gehaltskürzungen um mindestens ein Drittel sowie rigorose Stellenstreichungen. Sein Konzept ist klassische Fire-and-Hire-Politik: feuern und zu viel schlechteren Bedingungen wieder anheuern. Die bei der Ryanair-Tochter Malta Air angestellten Piloten haben nach Angaben des Pilotenverbands Cockpit (VC) mehrheitlich ein Spardiktat der Ryanair-Bosse abgelehnt. Knackpunkte waren die Forderungen nach extremer Flexibilität, drastisch reduzierten Arbeitszeiten und Einkommen sowie hohe Produktivitätssteigerungen.
O’Leary wäre nicht O’Leary, wenn er in der Krise nicht alles versuchen würde, um die in zähen Streiks erkämpften Zugeständnisse an die Gewerkschaften vom Tisch zu wischen und alle Standards weiter nach unten zu drücken. Die jüngst angekündigte Schließung der Stützpunkte an den Flughäfen Frankfurt-Hahn im Hunsrück, Weeze am Niederrhein und Berlin-Tegel im Herbst könnte dabei als Druckmittel dienen, um die Angestellten zur Kapitulation zu zwingen, argwöhnt die Gewerkschaft Verdi. Bereits gefeuert wurden seit März Beschäftigte mit Befristung und in der Probezeit. Verdi-Verhandlungsführer Sven Bergelin bescheinigt Ryanair den »Zynismus eines Konzerns, der mit Dumpingpreisen auf dem Rücken der Beschäftigten Profite macht«. Die Verhandlungen wurden in der vergangenen Woche vertagt.
Eine Auswirkung des jüngsten Rettungspakets der Bundesregierung für die angeschlagene Lufthansa ist die Vorgabe der EU-Kommission, dass Lufthansa nun einige Start- und Landerechte (Slots) an den Drehkreuz-Flughäfen in Frankfurt am Main und München an die Konkurrenz abgeben muss. Dies kommt der Absicht der Ryanair-Manager entgegen, die seit Jahren auf die Eroberung des größten deutschen Flughafens Frankfurt setzen und ein Auge auf diese Slots geworfen haben. Ihnen kommen hessische Landespolitiker und der Flughafenbetreiber Fraport weit entgegen. So entsteht im südlichen Flughafenbereich ungeachtet der Corona-Einbrüche derzeit ein neues, auf Billigflieger wie Ryanair zugeschnittenes Terminal 3. Es soll spätestens 2024 stehen und die Abfertigung von jährlich zusätzlich 25 Millionen Passagieren ermöglichen.
Auf der Strecke bleiben könnten bald Regionalflughäfen wie Frankfurt-Hahn oder Weeze, die als Ryanair-Standorte seit der Jahrtausendwende Scharen von Touristen anlockten. Die irische Airline hatte es bei der Eroberung der liberalisierten europäischen Luftverkehrsmärkte seit den 1990er Jahren zunächst auf ehemalige Militärflughäfen mit niedrigen Gebühren abgesehen und steigerte ihren Marktanteil mit Schnäppchenangeboten systematisch. Der Anfang der 1990er Jahre von der US Army geräumte Flughafen Hahn galt lange als gelungenes Projekt einer Umwandlung ehemaliger Militärflächen in einer strukturschwachen Region unter dem früheren rheinland-pfälzischen SPD-Regierungschef Kurt Beck. Ryanair richtete hier ein Drehkreuz ein und viele Beschäftigte wohnen hier mit ihren Familien.
Doch der Lack ist längst ab. Kritiker verweisen auf die zu hohe Flughafendichte in der Region, zumal die Airports Frankfurt am Main, Köln/Bonn, Saarbrücken und Luxemburg nur gut 100 Kilometer Luftlinie entfernt liegen. Auch sind Passagierzahlen und Güterumschlag seit Jahren im Sinkflug. Die Hoffnungen auf einen nachhaltigen Jobmotor gingen also nicht auf. Alte Pläne für eine Anbindung an die Schiene sind begraben. Ryanair erpresste mit der Androhung eines Abzugs immer wieder den defizitären Flughafenbetreiber und die Mainzer Landesregierung, die vor wenigen Jahren ihren Anteil von 82,5 Prozent an der Betreibergesellschaft an den chinesischen Großkonzern HNA verkaufte. Den Betrieb subventioniert sie weiter mit Millionensummen. HNA setzt vor allem auf das globale Frachtgeschäft und betrachtet Hahn als strategischen Stützpunkt in Europa. Schließlich gehört der Hunsrück-Airport zu den wenigen deutschen Verkehrsflughäfen ohne Nachtflugverbot.
Zwar könnten nach einer Schließung der Basis immer noch einzelne Ryanair-Maschinen in Hahn landen und starten. Doch der Niedergang dürfte anhalten. Neben Ryanair fliegen nur noch die osteuropäischen Billiganbieter Wizz Air, Air Serbia und Flyone den Hunsrück an. Dass hier in der Coronakrise Frachtflugzeuge mit Schutzkleidung und Mund-Nase-Schutz an Bord landeten, ist kein nachhaltiges neues Geschäftsfeld. Für die Mainzer Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) bedeutet dies acht Monate vor der Landtagswahl eine zusätzliche Baustelle.
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