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»Sicher ist noch nichts«
Der DFB steht bei der Rückkehr zum Spielbetrieb im Amateurfußball vor vielen Problemen
Zumindest den Rasenflächen auf den Abertausenden Sportplätzen in Deutschland hat die Zwangspause in der Corona-Pandemie nicht geschadet. Im Gegenteil: In solch gutem Zustand waren manche Spielfelder seit Jahren nicht. Dennoch will sich keiner der knapp 24 500 Vereine an den Anblick verwaister Anlagen gewöhnen. Dass der Ball flächendeckend zur neuen Saison im September wieder rollen soll, ist einhellige Meinung im Deutschen Fußball-Bund (DFB). Der Verband hat vor zwei Wochen ein Muster-Hygienekonzept für seine Amateurteams vorgestellt, das als Orientierungshilfe dienen soll. Präsident Fritz Keller deutete am Sonntagabend an, dass es weiterhin viele Ungereimtheiten gebe. »Die Pandemielage bestimmt alles, die Gesundheit geht vor.« Und was die Zulassung von Zuschauern angehe, könne man noch »gar nix sagen«. Wissenschaftler und Politiker müssten erklären, was geht.
Relativ einfach ist es für die höchsten Spielklassen unter DFB-Obhut: Für die Bundesliga der Frauen und die 3. Liga der Männer gelten in Abstimmung mit der Deutschen Fußball-Liga die bewährten Konzepte des Profifußballs. Viel wichtiger ist indes für den größten Sportfachverband, dass auch die Basis wieder den Spielbetrieb aufnimmt - sonst könnte sich der ohnehin kaum aufzuhaltende Rückgang aktiver Amateurfußballer gefährlich beschleunigen. Weil Vereinsmitglieder irgendwann kaum mehr einsehen werden, Beiträge zu entrichten, wenn sie ihr Hobby nicht mehr ausüben können. Zum Stichtag 1. Januar 2020 waren 145 084 Mannschaften gemeldet - das machte schon vor der Coronakrise ein Minus von drei Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Die im Verband für den Spielbetrieb zuständige Heike Ullrich spricht von einem »ganzen Blumenstrauß« an Themen für den Neustart der Amateure, wo für die Umsetzung der in der Pandemielage nötigen Rahmenbedingungen eben nicht unbegrenzt Personal und Geld zur Verfügung stehen. »Corona bleibt für uns eine Herausforderung. Aber wir sind nach den ersten Erfahrungen jetzt besser ausgestattet und haben Netzwerke aufgebaut«, erklärt Ullrich. Ziel sei es, so die DFB-Direktorin für Vereine, Verbände und Ligen, dass »wir wirklich vom kleinen Kind bis zur Nationalmannschaft wieder spielen.« Die Bedrohungslage durch das Virus sei eben nicht weg. Auch wisse niemand, ob nicht im Herbst noch eine zweite Ansteckungswelle durchs (Fußball-)Land rollt. Ergo gelte: »Der Fußball darf keine Infektionsketten auslösen, Corona bleibt ein tückisches Virus. Wir müssen leider weiter auf Sicht fahren«, sagt Ullrich. Ein den örtlichen Gegebenheiten und den Spielklassen angepasstes Hygienekonzept soll den landesweiten Spielbetrieb möglich machen. Ein Frühwarnsystem mit einer Art Ampelschaltung ist inkludiert.
Dass die Amateure wieder der wichtigsten Nebensache der Welt frönen, ist keine Selbstverständlichkeit. DFB-Vizepräsident Rainer Koch betreibt als Amateurvertreter reichlich Lobbyarbeit bei der Politik, kann aber Stand jetzt nicht mal seinem Bayerischen Fußballverband die Rückkehr in die Normalität versprechen. »Die Restart-Pläne des BFV sehen weiterhin vor, dass die unterbrochene Saison 2019/20 im September fortgesetzt wird. Die dazu erforderlichen Hygienekonzepte des Verbandes sind bereits in Arbeit. Natürlich müssen dies die staatlichen Vorgaben dann auch wirklich erlauben«, schrieb Koch kürzlich auf seiner Facebook-Seite. »Sicher ist noch nichts.« Noch sind Fußballspiele in Bayern nur in Ausnahmefällen erlaubt. In Hessen gibt es grünes Licht am 1. August, weswegen es gerade zu einer kuriosen Form des Testspiel-Tourismus ins benachbarte Bundesland Thüringen kommt. Selbst Kreisliga-Klubs fahren 80 Kilometer über die Landesgrenze, um ein Freundschaftsspiel zu bestreiten. Das ist nur eine von vielen Verrenkungen für die Rückkehr auf den Platz.
Eine weitere Problematik ergibt sich aus der aufgeblähten Staffelgröße, weil fast allerorten zwar oft Auf- aber keine Absteiger bestimmt worden sind. Die eigentlich eingleisige 2. Bundesliga der Frauen kehrt nach einer Abstimmung zu einer Nord- und Südstaffel zurück, weil sonst 19 Klubs mitgespielt hätten. Die U19- und U17-Bundesligen spielen deswegen nur eine einfache Runde aus. »Das wären statt sonst 26 Spieltagen bis zu 34 gewesen«, erklärt DFB-Junioren-Cheftrainer Meikel Schönweitz. »Bei einem Start fünf oder sechs Wochen später ist das nicht anders zu stemmen.« Die Regionalliga Südwest mit neuerdings 22 Vereinen nimmt hingegen eine Terminhatz über 42 Spieltage und eine radikal verkürzte Winterpause in Kauf.
Die föderale Struktur im DFB, dessen fünf Regional- und 21 Landesverbände sich den Verfügungslagen der Bundesländer unterordnen müssen, erschwert ebenfalls die Aufgabe. Vor allem bei der Zulassung von Zuschauern zeichnet sich ein unvermeidlicher Flickenteppich unterschiedlichster Lösungen ab. Alles laufe auf individuelle Entscheidungen der lokalen Behörden und Vereine hinaus, sagte DFB-Chef Keller - ganz so, »wie die Pandemie- und Verfügungslage ist.«
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