Detektiveinsatz zur Aufklärung von Arbeitszeitbetrug?
Coronabedingtes Homeoffice
In diversen Medien mehren sich jüngst Berichte über Fälle von Arbeitnehmer*innen, die trotz angeordneter Arbeit im Homeoffice kaum noch erreichbar sind bzw. sogar während ihrer Arbeitszeit Tätigkeiten bei anderen Arbeitgebern nachgehen, um sich so ihren Verdienst »aufzubessern«.
Arbeitszeitbetrug kann fristlose Kündigung rechtfertigen
Wer im Homeoffice seine Arbeitszeit eigenmächtig reduziert, weil es keiner bemerkt, begeht eine erhebliche Pflichtverletzung. Diese stellt regelmäßig einen sogenannten wichtigen Grund gemäß § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar und kann selbst im erstmaligen Fall eine außerordentlich fristlose Kündigung nach sich ziehen. Arbeitsrechtler sprechen dann von einem Arbeitszeitbetrug zu Lasten des Arbeitgebers.
Sicherlich muss es sich dabei um mehr als ein paar Minuten handeln, die einmal versehentlich zu wenig gearbeitet werden. Wer hier aber bewusst handelt, riskiert damit seinen Arbeitsplatz (siehe zum Beispiel Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Juni 2011, Az. 2 AZR 381/10).
Arbeitgeber ist beweispflichtig für Pflichtverletzung
Der Arbeitgeber muss allerdings in einem späteren Kündigungsschutzprozess den Arbeitszeitbetrug darlegen und ihn im Zweifelsfall beweisen. Es wird nicht genügen, dass der Arbeitnehmer schlecht erreichbar war oder am Vormittag beim Bäcker gesehen wurde.
Der Arbeitnehmer wird im Homeoffice seine Pausen regelmäßig selbst einteilen können. Vorgaben des Arbeitgebers wie zum Beispiel feste Zeiten für eine Erreichbarkeit oder tägliche Abstimmungsmeetings per Telefon oder Video dürfen aber angeordnet werden. Wird der Arbeitnehmer aber während seiner Arbeitszeit bei einem zweistündigen Einkaufsbummel beobachtet oder geht er sogar einem Zweitjob bei einem Dritten nach, ist die Grenze definitiv überschritten.
Detektiveinsatz nur bei konkretem Verdacht
Der Einsatz eines Detektivs zur Gewinnung von Beweismitteln einer Pflichtverletzung ist im deutschen Arbeitsrecht aber nur ausnahmsweise möglich. So erlaubt das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) einen solchen Einsatz gemäß § 26 Absatz 1 nur dann, wenn konkrete Verdachtsmomente eines Arbeitszeitbetrugs im Raume stehen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft im Homeoffice kaum erreichbar ist, dafür keine Erklärung abgeben kann und insbesondere noch weitere Umstände wie etwa eine stark verminderte Produktivität hinzutreten. In einem solchen Fall kann ein Detektiveinsatz, also eine heimliche Überwachung des Arbeitnehmers ausnahmsweise zulässig sein.
Konsequenzen unzulässiger Überwachung
Doch Vorsicht: Insbesondere eine anlasslose Überwachung von Arbeitnehmern aufs Geratewohl, also ins Blaue hinein, ohne einen solchen auf Tatsachen gestützten Verdacht, stellt eine erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung des Betroffenen dar. Selbst wenn sich in einem solchen Fall eine Pflichtverletzung durch die anlasslos durchgeführte Überwachung dokumentieren lässt, wird diese als Beweismittel in einem Arbeitsgerichtsverfahren regelmäßig nicht verwertet werden dürfen, wie das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung (zum Beispiel Urteil des BAG vom 29. Juni 2017, Az. 2 AZR 597/16) urteilt. Daneben drohen dem Arbeitgeber auch empfindliche Bußgelder der jeweiligen datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde.
Der Autor ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei FHM - Fuhlrott Hiéramente & von der Meden Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB - sowie Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.