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Keine Zeit für Optimismus
Simon Poelchau über aktuelle Wirtschaftszahlen
Glaubt man mancher Darstellung, so ist das Schlimmste in der Coronakrise bereits überstanden. So schaut man im Bundesarbeitsministerium angesichts der aktuellen Arbeitslosenzahlen mit »vorsichtiger Zuversicht« in die Zukunft. Und auch manch ein namhafter Ökonom glaubt, dass es mit der Wirtschaft wieder kräftig bergauf geht. Doch für Optimismus ist es noch längst keine Zeit - allein schon wegen des jüngsten Einbruchs bei der Wirtschaftsleistung.
Zwar schnellt derzeit nicht nur die Zahl der Arbeitslosen nicht mehr nach oben, auch die Kurzarbeit geht anscheinend wieder langsam zurück, wie das ifo Institut in München berechnete. Doch noch immer gibt es diesen Zahlen zufolge fast in jedem zweiten Unternehmen Kurzarbeit. Das sind Millionen Jobs, die auf der Kippe stehen und die derzeit über die Bundesagentur für Arbeit von der Allgemeinheit finanziert werden. Die Lage ist also noch weitaus kritischer als während der letzten Wirtschaftskrise. Damals waren 1,4 Millionen Menschen in Kurzarbeit; zuletzt im Mai waren es vier Mal so viele.
Zudem beruht die derzeitige Erholung auf der weitgehenden Rücknahme des coronabedingten Shutdowns und darauf, dass die Pandemie im Frühsommer einigermaßen zurückgedrängt war. Angesichts der aktuell wieder steigenden Fallzahlen und der schon länger kursierenden Warnungen vor einer zweiten Ansteckungswelle im Herbst ist es also noch zu früh zum Aufatmen.
Stattdessen ist zu hoffen, dass die Politik notfalls noch einmal den Mut zu einem Shutdown aufbringt. Denn eine Krise mit mehr Arbeitslosen kann zwar schmerzhaft sein. Sie wird aber weitaus weniger schmerzlich sein als Tausende Tote, die man vermeiden kann, wenn man die kapitalistische Verwertungslogik mal in eine Pause schickt.
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