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Kein Allheilmittel

Bei der Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung geht es Horst Seehoder vor allem um den Zuspruch seiner Wähler, meint Thilo Weichert

  • Thilo Weichert
  • Lesedauer: 3 Min.

US-Präsident Donald Trump twittert. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) schreibt Briefe - so jüngst an Bundesjustizministerin Christine Lamprecht (SPD). Sie solle die Vorratsdatenspeicherung auf sechs Monate ausweiten, um Kinderpornografen im Internet auf die Schliche zu kommen. Kindesmissbrauch ist ein übles Verbrechen. Und es ist nicht einfach, die Täter im Internet zu finden. Was Trump und Seehofer jedoch vereint, ist die Tatsache, dass es ihnen nicht auf den demokratischen Diskurs ankommt, sondern auf die symbolische Aktion und den Zuspruch der Wähler. Trump weiß, dass der Unsinn, den er twittert, politisch und gesetzlich nur selten umgesetzt wird. Und auch Seehofer ist bewusst, dass Lamprecht seiner Bitte nicht entsprechen wird. Der Brief soll die öffentliche Stimmung beeinflussen und so vielleicht doch dazu führen, dass rationale Argumente zum Thema Vorratsdatenspeicherung das Nachsehen haben.

Die Argumente zur Vorratsdatenspeicherung werden schon seit 15 Jahren ausgetauscht. Anfangs standen sich konservative Politiker und Sicherheitsbeamte einerseits und liberale Politiker sowie Bürgerrechtler andererseits unversöhnlich gegenüber. Die einen forderten mindestens ein halbes Jahr Speicherung. Für die anderen war Vorratsdatenspeicherung der Sündenfall schlechthin. Ein Dialog fand nicht statt. Inzwischen ist diese Gesprächsverweigerung in Europa überwunden, was wir nationalen Verfassungsgerichten verdanken, insbesondere dem deutschen Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und in jüngerer Zeit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die Gerichte loteten den Sicherheitsgewinn der Datenspeicherung mit dem Bürgerrechtsverlust bei der Vorratsspeicherung aus. Die Vorratsdatenspeicherung trifft nämlich nicht nur die Kinderpornografen, sondern alle Bürgerinnen und Bürger bei jeder ihrer Onlineaktivitäten: Sie bedeutet letztlich eine fast totale Überwachung der Bevölkerung. Welche Macht Sicherheitsbehörden damit gegeben wird, zeigt China, wo Onlineüberwachung als zentrales Instrument eines modernen Polizeistaates genutzt und über eine Milliarde Menschen so unter Kontrolle gehalten werden.

Natürlich würde Seehofer den Chinavergleich mit Vehemenz zurückweisen. Doch er und andere konservative Politiker fordern letztendlich grenzenlose und unkontrollierte Befugnisse für die Sicherheitsbehörden, denen derzeit Seehofer selbst im Bund vorsteht. Es sind unsere Gerichte, die die Sicherheitsbehörden in die verfassungsmäßigen Schranken weisen. Es ist deshalb mehr als eine Unverschämtheit, dass Seehofer nicht den bevorstehenden Entscheid des EuGH abwartet, in dem rechtswidrige Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung anderer EU-Staaten geprüft werden. Auch gegen die deutsche Regelung mit einer weitgehend undifferenzierten zehnwöchigen Speicherung liegen mehrere Verfassungsbeschwerden vor. Sie ist ein Kompromiss des damaligen SPD-Justizministers Heiko Maas mit seinen konservativen Koalitionspartnern, bei denen Maas sich bei wesentlichen Fragen nicht durchsetzen konnte. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass eine kurze Speicherdauer schon aus Gründen der Informationssicherheit nötig und zulässig ist. Ebenso klar ist jedoch auch, dass hinsichtlich der Sekundärnutzung dieser Daten zur Strafverfolgung äußerst differenziert vorgegangen werden muss.

Angesichts der technischen Möglichkeiten für Internetstraftäter ist Vorratsdatenspeicherung kein Allheilmittel. Mit dem schon heute bestehenden gesetzlichen Instrumentarium ist eine effektive Verfolgung von Kinderpornografie weitgehend möglich. Das größte Hindernis bei der Bekämpfung von Internetkriminalität sind nicht die fehlenden Gesetze, sondern die begrenzten personellen und technischen Ressourcen der Strafverfolger. Mit der Entwicklung bei Technik und Kriminalität ist immer wieder wissenschaftlich zu eruieren, welche Maßnahmen welche Folgen haben. Eventuell muss auch das juristische Instrumentarium angepasst werden. Der billige Populismus eines Herrn Seehofer, ist hierfür aber wenig förderlich. Er ist gefährlich, weil wir nie sicher sein können, ob die bestehenden verfassungsrechtlichen und medialen Korrekturmechanismen langfristig funktionieren. Und chinesische Verhältnisse will sicherlich auch Herr Seehofer nicht.

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