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Angst vor Corona und Grenzgefechten
Der Kampf gegen das Virus wird durch eine möglichen Krieg zwischen Israel und Libanon erschwert
Es gebe wohl nichts, das im Gazastreifen im Moment mehr Angst auslöst, als das Coronavirus, sagt ein Arzt am Schifa-Krankenhaus in Gaza, der anonym bleiben will. Die Hamas, die den dicht bevölkerten Landstrich regiert, behandelt alle Nachrichten über die Verbreitung von Covid-19 als Staatsgeheimnis. Der Grund: »Wir müssen Panik vermeiden. Wir müssen einen Ansturm auf unsere Ressourcen verhindern«, so Aschraf al Kidra, Sprecher des Gesundheitsministeriums der Hamas-Regierung.
Sicher ist: Das Virus ist da, schon seit März, und es breitet sich trotz der nach wie vor geltenden Blockade durch die Nachbarländer Israel und Ägypten aus. Noch verläuft die Pandemie im Gazastreifen, soweit man das überblicken kann, noch glimpflich. Doch die Situation im Westjordanland zeigt: Man sollte nicht darauf bauen. Im anderen palästinensischen Landesteil steigt die Zahl der bestätigten Fälle stark, obwohl die Regierung Lockdowns in den von ihnen kontrollierten Gebieten verhängt hat. Doch viele Menschen halten sich nicht an die Beschränkungen - aus Not. Es gibt keine staatlichen Hilfsprogramme, kaum jemand hat ausreichende Rücklagen, um über die Runden zu kommen.
Anders als in vorangegangenen Wirtschaftskrisen akzeptieren nun nur noch wenige Unternehmen Schecks oder Lastschriftzahlungen; im Juni seien fast 80 Prozent dieser Zahlungen geplatzt, heißt es bei der Cairo Amman Bank. Deshalb gehen viele wieder an die Arbeit, weil sie Geld brauchen. Dabei sind die Bemühungen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, in Westjordanland und Gaza noch etwas komplizierter als anderswo. Die politischen Konflikte zwischen den beiden rivalisierenden palästinensischen Regierungen und mit Israel, die Zersplitterung des Westjordanlands in von Israel und von Palästinensern kontrollierte Gebiete, machen koordinierte Maßnahmen fast unmöglich. Dazu kommt, dass es Israels Regierung über Monate nicht schaffte, klare Zuständigkeiten für die Bekämpfung des Virus zu schaffen. Zudem fehlt es beiden an Geld, um Schutzausrüstung und Tests zu finanzieren.
Nicht zuletzt deshalb sorgte die Meldung von einem Grenzzwischenfall zwischen israelischen Soldaten und Kämpfern der Hisbollah an der Grenze zum Libanon auch in der palästinensischen Politik für Sorge. Der Schusswechsel war der Schwerste seit dem Libanon-Krieg 2006, für einen Moment sah es so aus, als stehe ein weiterer Kriegsausbruch kurz bevor. Vor einigen Tagen wurden dann auch aus dem Gazastreifen heraus Raketen auf Israel abgeschossen. Verantwortlich dafür sei der palästinensische Islamische Dschihad, der wie die Hisbollah dem Iran nahesteht, so das israelische Militär, das kurz darauf Einrichtungen der Hamas angriff. Ein Krieg zwischen Israel und dem Libanon, möglicherweise in Verbindung mit einem Konflikt mit den Milizen im Gazastreifen und Hisbollah-Kräften in Syrien würde die wirtschaftliche Lage in den palästinensischen Gebieten weiter verschärfen und eine Eindämmung der Pandemie nahezu unmöglich machen. Schon vor den Auseinandersetzungen warnte der UNO-Nahostgesandte Nikolai Mladenov den UNO-Sicherheitsrat vor einer Destabilisierung der Länder in der Region durch Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Not; ein militärischer Konflikt könnte nicht absehbare Folgen haben.
Bislang ist es bei allseitigen Drohungen geblieben, und das mit großer Wahrscheinlichkeit vor allem wegen der Pandemie. Zwar betont Israels Militär, man sei auf alles vorbereitet. In den Medien wurde vielfach sinniert, wie das Militär derzeit Krieg führen könnte, ohne eine unkontrollierte Ausbreitung des Virus unter den Soldat*innen zu riskieren. Hinzu kommt: Allein der Gaza-Krieg 2014 hatte mehrere Milliarden für Rüstungsgüter gekostet. Geld, das derzeit niemand hat.
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