Sri Lanka im Griff des Autoritarismus

Im Inselstaat im Indischen Ozean festigt der Rajapaksa-Familienclan in der Coronakrise seine Macht weiter

  • Sowmya Maheswaran
  • Lesedauer: 4 Min.

Um vorauszusehen, welche Richtung der im November 2019 gewählte Präsident und frühere Militär Gotabaya Rajapaksa einschlagen würde, gehörte nicht viel. In der Endzeit des von 1983 bis 2009 dauernden blutigen Bürgerkriegs zwischen tamilischen Rebell*innen und singhalesischer Mehrheitsregierung amtierte der Militär als Verteidigungsminister.

Vor wenigen Tagen äußerte sein Bruder Basil Rajapaksa, intellektueller Kopf der Familiendynastie, in der singhalesischen Zeitung »Daily Financial Times«: »Wir haben von vielen politischen Parteien dieser Welt gelernt. Die zwei fähigsten sind die BJP und die KPC.« Was die erzkonservative Bharatiya Janata Party in Indien und die Kommunistische Partei Chinas als größte Parteien der Welt und führende Kräfte zweier asiatischer Mächte gemeinsam haben, ist vor allem ihre diktatorisch-nationalistische Linie.

Das 225 Sitze zählende Parlament in Sri Lanka kann mit einer Zweidrittelmehrheit Änderungen an der Verfassung vornehmen - zum Beispiel die Präsidialmacht einschränken oder erweitern -, und damit über die Demokratisierung oder Entdemokratisierung des Landes zu entscheiden. Als Gotabaya am 2. März das alte Parlament auflöste, tat er das in dem Wissen, dass ihm für seine Zwecke dort noch die erforderlichen Stimmen fehlen. Er nahm damit auf den Tag genau sein Recht als Präsident in Anspruch, maximal sechs Monate vor regulärer Neuwahl das Parlament aufzulösen. Seither regieren Gotabaya und sein von ihm zum Premier ernannter weiterer Bruder Mahinda Rajapaksa - von 2005 bis 2015 war der auch schon mal Präsident - unter Corona-Bedingungen praktisch allein.

Die singhalesische Familiendynastie Rajapaksa steht für einen entschieden nationalistischen Kurs, der sich, gekoppelt mit einer raffinierten Antiterrorismus- und Sicherheitsrhetorik, gegen die zwei größten Minderheiten des Landes richtet. Waren früher die Tamil*innen die Sündenböcke der Nation, sind es heute die Muslim*innen. Gotabayas Ansehen als »starker Mann« nahm durch die islamistischen Anschläge zu Ostern des vergangenen Jahres und mit seinen strikten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie noch zu. NGOs und Vertreter von Minderheiten werfen dem Rajapaksa-Clan allerdings nicht nur massive Korruptionsdelikte vor, sondern ebenso diverse Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen, die Zehntausende Menschenleben kosteten. Die Corona-Zeiten geben einen ersten Vorgeschmack darauf, was die erst 2016 neu entstandene Rajapaksa-Partei Sri Lanka Podujana (Sri Lanka Volksfront, SLPP) mit einer klaren Mehrheit im Parlament anzustellen gedenkt. Bei der letzten Parlamentswahl 2015 hatte die Gotabayas Vorgänger Sirisena unterstützende United National Party (UNP) die meisten Sitze errungen.

Da die eigentlich für April vorgesehene Neuwahl des Parlaments wegen der Covid-19-Pandemie zunächst auf Juni und schließlich auf den 5. August verschoben wurde, konnten die zwei Brüder an den Hebeln der Macht monatelang ihren politischen Kurs durchziehen. Er zeichnet sich besonders durch eine Stärkung der Rolle der Streitkräfte in der Politik aus. Auf nationaler wie auf Ebene der Provinzen wurden dabei Militärs mit politischen Ämtern ausgestattet. Auch wurden zwei dem Staatschef zuarbeitende besondere Führungsstäbe »Presidential Special Task Forces« geschaffen. Einer »für das Management des archäologischen Kulturerbes« und ein weiterer, der mit weit gefasstem Mandat »für ein sicheres Land und eine disziplinierte, tugendhafte und gesetzestreue Gesellschaft« Sorge tragen soll.

Beide neuen Gruppierungen werden von Demokratieanhängern und Menschenrechtsorganisationen stark kritisiert, die ihre Schaffung und die Ernennung ihrer Mitglieder ohne parlamentarische Zustimmung als rechtswidrig ansehen. Zugleich bringen sie Facetten der Rajapaksa-Politik zum Vorschein, die alle Befürchtungen zu der dabei verfolgten Agenda deutlich bestätigen. Besetzt wurden sie ausschließlich mit singhalesischen Angehörigen des Militärs, der Polizei und des Geheimdienstes. Das ist Ausdruck einer Ideologie, welche die angeblich historisch tradierten Vorrechte der singhalesisch-buddhistischen Bevölkerungsmehrheit verfestigen möchte. Zugleich wird in Bezug auf die Siedlungsgebiete der Minderheiten das Vorherrschen militärischen Denkens und die Behandlung als Sicherheitsrisiko zügig vorangetrieben.

Langfristiges Ziel des Rajapaksa-Clans dürfte sein, möglichst viel Macht in Gotabayas Hand zu konzentrieren, bis sein Neffe Namal das für eine Präsidentschaftskandidatur erforderliche Mindestalter erreicht. Sollte die Wahl an diesem Mittwoch nicht unmittelbar die von der SLPP angestrebte Mehrheit bringen, wird es aller Wahrscheinlichkeit nach die hier üblichen »crossovers« geben. Gemeint ist damit, dass Abgeordnete anderer Parteien, zum Beispiel von der UNP, nach der Wahl mit immensen Summen zum Seitenwechsel bewegt werden. So könnte schließlich doch die so entscheidende Zweidrittelmehrheit für das Rajapaksa-Lager zustande kommen. Politische Aktivist*innen besonders der Minderheiten und unabhängige Journalist*innen könnte dann wieder eine Ära bevorstehen, in der sie um ihre Gesundheit und ihr Leben fürchten müssen.

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