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Hohe Strafe für Testverweigerer
Urlaub in Risikogebieten bringt ab Sonnabend neue Auflagen für die Wiedereinreise mit sich
Eine neue Testpflicht für Rückkehrer aus Corona-Risikogebieten tritt schon an diesem Sonnabend in Kraft. Dazu zählen etwa die Türkei, mittlerweile abzüglich einiger Urlaubsregionen, sowie Brasilien oder die USA. Die jeweils aktuellen Länder und Regionen sind auf der Webseite des Robert-Koch-Institutes zu finden. Für diese Territorien gilt: Wer von dort kommt, muss sich entweder innerhalb von 48 Stunden vor der Einreise testen lassen oder binnen 72 Stunden danach; wenn nicht am Flughafen oder an anderen Grenzübergängen, dann in einer Arztpraxis.
Bis zum Erhalt des negativen Ergebnisses ist häusliche Quarantäne angesagt. Nachgewiesen werden muss das Ergebnis innerhalb von 72 Stunden beim Gesundheitsamt mit einer Testbescheinigung in deutscher oder englischer Sprache. Die Kosten für Letztere, wenn sie zuvor im Ausland erworben wurde, müssen Reisende selbst tragen. Diese Gesundheitszeugnisse müssen sich auf die molekularbiologische Testung auf Vorliegen einer Sars-CoV-2-Infektion stützen. Akzeptiert werden Dokumente aus allen EU-Mitgliedstaaten sowie aus weiteren Staaten laut RKI-Liste.
Der Test bei oder nach der Einreise ist hingegen kostenfrei. Die Bundesregierung will die Einhaltung der Coronatestpflicht für Rückkehrer aus Risikogebieten stichprobenartig überprüfen. Wer sich der Testpflicht verweigert oder kein entsprechendes Gesundheitszeugnis vorlegen kann, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss mit einem Bußgeld von bis zu 25 000 Euro rechnen.
Der Zoll ist in diesem Zusammenhang berechtigt, die zuständigen Behörden, in der Regel die Gesundheitsämter, über die Personen zu informieren, die aus den Risikogebieten eingereist sind. Deren Daten wie Name, Geburtsdatum, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Anschrift im Bundesgebiet können bei der Einreisekontrolle erfasst und dann weitergeleitet werden. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte die Regelung Anfang der Woche angekündigt. Zu diesem Zeitpunkt gab es allerdings noch Abstimmungsbedarf innerhalb der Bundesregierung.
Vor dem Anlaufen der neuen, verpflichtenden Prozeduren ist offen, wie reibungslos das Ganze funktioniert und ob die beteiligten Personen und Stellen dafür ausreichend vorbereitet sind. Auf die Gesundheitsämter kommt ein zusätzlicher Aufwand zu. Vermutlich lässt der Andrang mit Ende der Sommerferien nach, aber es dürften auch nicht wenige Menschen sein, die mit ihren Familien die versäumten Reisen bis zum Jahresende nachholen wollen.
Schon bei den freiwilligen kostenlosen Tests für Reiserückkehrer, die seit Anfang August möglich sind, hatten sich diverse Schwierigkeiten bei der Umsetzung gezeigt. Am Flughafen erhielten die Heimkehrenden nach Registrierung mit dem Flugticket und schriftlicher Registrierung einen QR-Code oder einen Link zur Anmeldung bei der App, auf die das Labor das Testergebnis überspielte. War der Test positiv, wurde das zuständige Gesundheitsamt informiert. Das funktionierte in den ersten Tagen nicht immer, vor allem die Technik bereitete Probleme.
Einige Amtsärzte hielten es schon bei den freiwilligen Tests am Flughafen für falsch, dass diese kostenlos sind. Damit würden von der Politik Leute umgarnt, die sich freiwillig in Risikoregionen aufhalten, hieß es. Eine 14-tägige Quarantäne sei noch immer das wirksamste Mittel gegen eine Ansteckung anderer Menschen mit Sars-CoV-2. Die freiwilligen Tests waren vom Bundesgesundheitsministerium Anfang August durch Änderung einer Rechtsverordnung ermöglicht worden.
Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung monierte, dass die Vergütung von 15 Euro je Abstrich für die Praxen nicht wirtschaftlich sei. Das ergibt sich zum Beispiel daraus, dass die Termine für Reiserückkehrer kurzfristig in die Praxisplanung eingeschoben werden müssten. Auch hätten Ärzte damit zu rechnen, dass die Touristen potenziell ansteckend sind. Die Mediziner müssten sich also für den Abstrich selbst Schutzkleidung anlegen und die zusätzlichen Patienten von den anderen isolieren. Hinzu komme ein großer bürokratischer Aufwand. Offenbar gibt es in der Software der Arztpraxen kein entsprechendes Tool, das die Abwicklung erleichtern würde. Das hatten auch schon die Hausärzte kritisiert.
Die Mediziner berufen sich darauf, dass sie für die Versorgung von Kranken zuständig seien und nicht für die Durchführung von Testserien, die staatlich angeordnet würden. Dies sei die originäre Aufgabe des Öffentlichen Gesundheitsdienstes.
Auch aus juristischer Sicht könnte die Umsetzung der Spahn-Anordnung problematisch sein. Experten verweisen darauf, dass nur die Bundesländer das Infektionsschutzgesetz (IfSG), in dessen Rahmen die Anordnung erlassen wird, vollziehen dürften. Die Frage sei, ob das Bundesgesundheitsministerium überhaupt verfassungsrechtlich ermächtigt sei, im Bereich des IfSG Verwaltungsakte zu erlassen. Zudem seien etliche Klagen gegen die Zwangstests zu befürchten.
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