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GEW: Rekordzahl neuer Lehrer genügt nicht

Das Land Brandenburg hat 1500 Pädagogen neu unter Vertrag genommen, hätte aber 1800 gebraucht

  • Wilfried Neiße und Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn an diesem Montag das neue Schuljahr »im Regelbetrieb« beginnt, dann werden die an sich geltenden 1,5-Meter-Abstände an den Schulen Brandenburgs nicht einzuhalten sein. Doch sehe sie von einer Maskenpflicht im Unterricht und auf dem Schulhof ab, sagt Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD). Auf den Gängen in den 916 Schulgebäuden des Bundeslandes mache sie aber für Erwachsene und Schüler das Tragen der Masken zur Pflicht. Den schulischen Normalbetrieb im Klassenverband steuere sie an, weil die jetzt schon feststellbaren Lernrückstände ansonsten nicht mehr korrigierbar wären.

Coronabedingt gebe es »klare Regeln«. Dazu gehören häufiges Lüften der Klassenräume und Händewaschen. Wer Covid-19-typische Symptome hat wie Husten, Fieber, Halsschmerzen oder zeitweiligen Verlust von Geschmacks- und Geruchssinn, muss der Schule fern bleiben. Wer einen Coronafall zu Hause hat, darf die Schule nicht betreten. Alle Lehrer können sich binnen vier Monaten bis zu sechs Mal auf das Coronavirus testen lassen. Zwar sei in den vier Monaten vor den nun zu Ende gehenden Sommerferien der Unterricht trotz geschlossener Schulen nicht völlig ausgefallen, doch habe die Lehrstandermittlung an jeder Schule mehr oder weniger tief liegende Einbrüche zu Tage gefördert, erklärt Ernst. Die Herbstferien soll es zwar geben, die Osterferien im kommenden Jahr könnten aber von verbindlichen Lehrveranstaltungen geprägt sein. Besonders wahrscheinlich sei dies für die in den Prüfungsvorbereitungen steckenden Zehnt- und Zwölftklässler.

Gefragt, wie viele der rund 21 500 Lehrer sich schon mit der Begründung abgemeldet haben, sie gehörten zu einer Corona-Risikogruppe, sagte Ernst, zum Glück seien dies nur wenige gewesen. Lehrkräfte, die sich aufgrund einer Vorerkrankung gefährdet sehen, müssten sich das fachärztlich bescheinigen lassen. Das Land behalte sich vor, dies amtsärztlich überprüfen zu lassen. Wer als Lehrer die direkten sozialen Kontakte meiden müsse und nicht im »Präsenzunterricht« eingesetzt werden könne, der werde Kollegen von zu Hause aus unterstützen oder in einem geschützten Raum der Schule für andere dienstliche Aufgaben eingeteilt.

Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält es angesichts des momentanen Infektionsgeschehens für vertretbar, wieder alle Schüler in die Bildungsstätten zu holen. Aber, sagt Günther Fuchs: »Ich halte es für sehr problematisch, wenn wir der Öffentlichkeit suggerieren, dass wir in den Normalbetrieb der Schulen wechseln.« Die Corona-Pandemie werde das gesamte kommende Schuljahr prägen. Es sei auch eine Illusion zu glauben, etwaige Lernrückstände der Schüler könnten bereits bis Mitte September vollständig ermittelt und an die Schulämter gemeldet werden. 80 Prozent der Probleme, vor denen die Schulen jetzt stünden, hätten gar nicht unmittelbar mit Corona zu tun, sondern mit einer verfehlten Bildungssparpolitik in den vergangenen 20 Jahren, ist Fuchs überzeugt. Es gebe zu wenig Lehrer, zu enge Räume, keine Hygiene.

Zwar sind mehr als 1500 neue Lehrer eingestellt worden, so viele wie noch nie. Doch Fuchs rechnet vor, dass man angesichts von rund 2500 mehr Schülern 1800 zusätzliche Kollegen gebraucht hätte. Auch seien 500 neue Lehrer Seiteneinsteiger und weitere Lehrer für Fächer eingestellt, die sie nicht studiert haben. Inzwischen seien 20 Prozent der Grundschullehrer Seiteneinsteiger und 15 Prozent der Lehrer an Oberschulen. Regional gebe es große Unterschiede. In Potsdam seien nur drei Prozent der Lehrer Seiteneinsteiger, an einigen Schulen in Nordbrandenburg seien es jedoch bis zu 60 Prozent.

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