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Erfurt ist ein Zentrum rechter Gewalt

Opferschutzorganisationen beklagen unzureichende Maßnahmen in Thüringen

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 4 Min.

Es hatte vor allem ein Symbol sein sollen, dass die Politik diejenigen nicht vergisst, die sich seit Jahren vor Ort gegen Rechtsextremismus engagieren. In Erfurt, aber auch anderswo in Deutschland. Außerdem sollte es ein Beleg dafür sein, dass auch die Politik den Kampf gegen Neonazis seit Jahren führt, dass ihr das Problem bekannt ist.

Entsprechend groß waren die Worte, die Thüringens Innenminister Georg Maier am Freitag fand, als er gemeinsam mit Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein (beide SPD) den Ortsteil Herrenberg besuchte. Das ist jener Teil der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt, in dem vor etwa einer Woche drei Männer aus Guinea mutmaßlich von Rechtsextremen attackiert worden waren. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln deswegen derzeit gegen zwölf Männer, die alle der Neonazi-Szene der Stadt zugerechnet werden. Die »wahren Helden«, sagte Maier bei dieser Gelegenheit, seien für ihn diejenigen, die nicht nur seit Langem gegen die Neonazis aufstünden, die dort seit Jahren ihr Unwesen treiben - sondern, die auch noch in dem Stadtteil wohnen, deren Adressen die Rechtsextremen kennen.

Es waren Sätze, wie sie eben fallen, wenn Politiker wirklich versucht haben, etwas gegen Neonazis und rechtsextremes Gedankengut zu unternehmen. Dass sowohl Maier und Bausewein das versuchen, kann man nicht bestreiten. Aber die Neonazis sind trotzdem immer noch da s - und die AfD erzielt auch in Erfurt vor allem in scheinbar urbürgerlichen Gegenden hohe Wahlerfolge. Auf Letzteres verwies Bausewein am wenig bürgerlichen Herrenberg immer wieder.

Vor allem aber mussten sich Bausewein und Maier von den Engagierten anhören, dass es in dem Stadtteil zuletzt immer schlimmer geworden war. In den vergangenen zwei Jahren hätten die Bedrohungen ihnen gegenüber deutlich zugenommen, sagte Steffen Präger, der Vorsitzende eines Vereins, der ein dortiges Stadtteilzentrum betreibt. Zum Beispiel seien auf dem Auto einer Mitarbeiterin mutmaßlich von Rechtsextremen geköpfte Engelsfiguren hinterlassen worden. Mehrere Mitarbeiter - sie alle aktiv im Kampf gegen Rechts - hätten Angst um ihre Sicherheit, deshalb sitze nun auch er hier und nicht sie, sagte Präger bei einem Pressetermin nach dem Gespräch der beiden Politiker mit den Mitarbeitern.

Alleine ist Präger mit dieser Einschätzung nicht. Zuletzt hatten unter anderem die Opferschutzorganisation ezra und die Demokratieberater von Mobit beklagt, Erfurt sei seit Jahren die Kommune in Thüringen, in der es die meisten rechten und rassistischen Angriffe im Freistaat gebe. Darauf sei unzureichend reagiert worden, hieß es. Das ist natürlich keine gute Bilanz für die Politiker.

Unmittelbar vor ihrem Besuch am Herrenberg war ein Video von einem weiteren rechten Vorfall in der Stadt öffentlich geworden. Die Polizei ermittelt inzwischen zu den Aufnahmen. Darauf ist zu sehen, wie eine offenkundig betrunkene, männliche Person an einer Straßenbahnhaltestelle Passanten rassistisch bepöbelt und mehrfach den Hitler-Gruß zeigt. Sich selbst bezeichnet der Mann als »Nazi«. »Ich bin Nazi und ich bleibe nach wie vor Nazi«, ruft er.

Das Video stammt nach dessen eigenen Angaben vom Sprecher der Ahmadiyya-Gemeinde in Erfurt, Suleman Malik. Er habe es am späten Mittwochabend in Erfurt-Nord aufgenommen, sagte er nur Minuten vor dem Besuch Maiers und Bauseweins. Der Mann sei sehr laut gewesen und habe sehr lang herumgeschrien. Malik sagte, Vorfälle wie diese seien keinesfalls Einzelfälle. »Wir haben in Deutschland ein tiefes Rassismus-Problem«, erklärte Malik. Die Mehrheitsgesellschaft in Deutschland müsse das endlich anerkennen.

Dieses Rassismus-Problem reiche auch tief in die deutschen Sicherheitsbehörden hinein, fügte Malik hinzu. Es sei deshalb nicht hinzunehmen, wenn zum Beispiel Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), aber auch Maier dies bestritten. Erst einen Tag vor dem rassistischen Vorfall an der Straßenbahnhaltestelle habe er die Polizei gerufen, weil mehrere Menschen offenkundig viel zu schnell auf einer Straße hin und her gefahren seien. Die Polizei sei dann gekommen und habe seine Personalien aufgenommen. »Und das erste, was der Polizist mich fragt, ist, wo ich geboren wurde«, berichtete Malik.

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