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Rechte Opposition attackiert Macron
In Frankreich wird der Regierung von mehreren Seiten Missmanagement in der Coronakrise vorgeworfen
Die Art, wie staatlicherseits mit dem Ausbruch der Corona-Epidemie umgegangen wurde, sorgt in Frankreichs Öffentlichkeit weiter für Polemik. Kritik kommt dabei auch von links. Doch vor allem die rechte und rechtsextreme Opposition versucht, Präsident Emmanuel Macron und die Regierung zu diskreditieren. Die meiste Kritik entzündet sich an dem anfangs eklatanten Mangel an Masken sowie an den widersprüchlichen Äußerungen der Regierungspolitiker über deren Notwendigkeit und Nutzen. Das sollte wohl vom Dilemma ablenken, dass die staatlichen Reserven für eine Epidemie völlig unzureichend waren. Während sie 2009 zur Amtszeit des rechten Präsidenten Nicolas Sarkozy noch 1,7 Milliarden Masken umfassten, wurde nach 2012 unter dem sozialistischen Präsidenten François Hollande der Bestand mit der Absicht reduziert, keine Staatsreserve mehr vorzuhalten. So waren zu Beginn der Coronakrise nur 100 Millionen Masken vorhanden, also knapp sechs Prozent des Lagerbestands von 2009.
Die Masken, die jetzt in aller Eile in China geordert oder durch französische Unternehmen hergestellt wurden, leitete man fast ausschließlich den Krankenhäusern zu, während die niedergelassenen Ärzte und das Personal der Altenpflegeheime zunächst unberücksichtigt blieben. Aber auch Tests waren nicht ausreichend vorhanden und auch hier wurden über die Medien die Erwartungen in der Bevölkerung heruntergeschraubt, indem viel von ihrer mangelnden Aussagekraft die Rede war. So wurden in der ersten Märzhälfte in ganz Frankreich nur 12 000 Menschen getestet, während es in Deutschland im selben Zeitraum 500 000 waren.
»Wenn wir zu Beginn der Epidemie ausreichend Tests gehabt hätten, um die Ansteckungsgefahr durch Ärzte und Pflegekräfte festzustellen, hätten wir die Hälfte der Todesfälle in den Altenpflegeheimen verhindern können«, erklärte der Ratspräsident des elsässischen Departements Bas-Rhin, Frédéric Bierry, vor dem Untersuchungsausschuss des Senats. Die sozialistische Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo beklagt ebenso wie der rechte Präsident der Vereinigung der Städte und Gemeinden François Baroin den »extremen Zentralismus« und die daraus resultierenden bürokratischen Hürden, die das Handeln vor Ort behindert haben. Beispielsweise wurden Bürgermeister wegen »Eigenmächtigkeit« und »Verletzung der Kompetenzen des Staates« zur Ordnung gerufen, weil sie in ihrer Kommune aus eigener Initiative eine Maskenpflicht verhängt hatten.
Bei den Anhörungen im Senat wie in der Nationalversammlung wurde immer wieder deutlich, dass Regierung und Behörden anfangs oft unsicher und inkonsequent handelten, weil sie vom fachlichen Rat der Epidemieexperten abhingen. Doch die waren angesichts der spärlichen Kenntnisse über das Virus oft unterschiedlicher Meinung. Das räumt auch der Vorsitzende der Untersuchungskommission der Nationalversammlung, der Republikaner Eric Ciotti, ein. Doch lässt er es sich trotz der Neutralitätsverpflichtung seines Amtes nicht nehmen, Öl ins Feuer zu gießen. Die Anhörungen hätten ergeben, dass der epidemiologische Ausnahmezustand viel zu spät ausgerufen und dass vor Mitte März und der Corona-Fernsehrede von Macron nichts Wesentliches unternommen wurde.
Ciotti heizt auch die Polemik um das Schicksal der über 65-jährigen Coronakranken an, auf die fast die Hälfte der bisher mehr als 30 000 Toten der Epidemie entfielen. Daraus, dass Anfang April von den Patienten der Intensivstationen nur 14 Prozent Senioren waren, während es zu normalen Zeiten etwa 25 Prozent sind, schlussfolgert er - ähnlich wie das hetzerische »Schwarzbuch zur Coronakrise« der rechtsextremen Bewegung Rassemblement National - dass »die Alten nur zu oft bewusst geopfert wurden«. Dagegen verwahren sich Pflegekräfte und Ärzte. Sie verweisen darauf, dass auch in »normalen« Zeiten nicht alle in akuter Lebensgefahr schwebenden Alten auf die Intensivstation kommen, weil sie eine strapaziöse Intensivbehandlung nicht überstehen würden.
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