Mehr Zusammenhaltsgefühl durch Corona, aber nicht für alle

Studie zeigt Zukunftsangst und weniger Vertrauen in gesellschaftlichen Zusammenhalt bei Menschen in schwierigen Verhältnissen und mit Migrationshintergrund

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Gütersloh. Deutschland ist in der Corona-Pandemie nach Einschätzung vieler Menschen enger zusammengerückt. In einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage für die Gütersloher Bertelsmann-Stiftung bewerteten Bürger den gesellschaftlichen Zusammenhalt nach dem ersten Höhepunkt des Infektionsgeschehens positiver als zu Jahresbeginn. Demnach fiel der Anteil derjenigen, die den Zusammenhalt in Deutschland gefährdet sahen, von 46 Prozent im Februar auf nur noch 26 Prozent im Mai und im Juni.

Zugleich nahm der Umfrage zufolge während der Phase der weitreichenden Kontaktbeschränkungen und Schließungen der Anteil der Befragten ab, die der Meinung waren, dass sich die Menschen nicht umeinander kümmerten. Dieser lag im Februar bei 41 Prozent, sank bis Mai und Juni aber auf 21 Prozent.

Die Ergebnisse basieren auf Umfragen, welche die Stiftung im Februar sowie im Mai/Juni im Rahmen ihrer größer angelegten Langzeitstudie »Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt« vornehmen ließ. Die Studie zeichnet seit 2012 nach, wie sich sozialer Zusammenhalt entwickelt und wahrgenommen wird. »Wir verzeichnen einen Aufschwung bei der allgemeinen Stimmungslage in unserer Momentaufnahme bis Anfang Juni«, erklärte Bertelsmann-Experte Kai Unzicker.

Auch in einer längerfristigen Betrachtung gab es in den Augen der Menschen keine Verschlechterung des Zusammenhalts. Im Vergleich zu der Vorgängeruntersuchung 2017 blieben die Werte stabil. »Auch wenn viele Bürgerinnen und Bürger sich um das Miteinander Sorgen machen, zeigen unsere Daten: Der Zusammenhalt in Deutschland ist insgesamt weiterhin robust«, kommentierte Unzicker das Ergebnis.

Nach Feststellung der Bertelsmann-Experten gibt es aber gesellschaftliche Gruppen, die den Zusammenhalt »systematisch« geringer bewerten als der Durchschnitt. Häufiger handle es sich dabei um Menschen ohne höhere Schulabschlüsse, in wirtschaftlich schwierigeren Verhältnissen und mit Migrationshintergrund. Auch Alleinerziehende und Alleinlebende seien darunter vergleichsweise oft zu finden. In diesen Gruppen herrsche auch größere Zukunftsangst.

In der Corona-Krise hätten sich die unterschiedlichen Wahrnehmungen weiter verstärkt, erläuterte die Stiftung. Diejenigen, die schon vor der Pandemie viel Zusammenhalt erlebt hätten, blickten aktuell auch optimistischer in die Zukunft, fühlten sich seltener einsam und hätten weniger das Gefühl einer gesellschaftlichen Belastung durch die Krise. Die Politik müsse sich verstärkt um Menschen kümmern, die ein geringeres Maß gesellschaftlichen Zusammenhalts verspürten.

Gerade durch ihre Erfahrungen während der Corona-Pandemie drohten »vor allem Alleinerziehende, Migranten und Personen mit geringer Bildung aus dem sozialen Gefüge herauszufallen«, warnte Unzicker. Sollte sich die Lage im Bereich von Schule und Kinderbetreuung nicht bald deutlich entschärfen, gehe dies besonders zu Lasten dieser Gruppen. Die Politik müsse daher gezielt ein Netzwerk von Hilfs- und Versorgungsangeboten in deren direktem Umfeld aufbauen. AFP/nd

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