Coronakrise reißt Loch in die Lohntüte

Die Bruttomonatsverdienste brachen von April bis Juni um 2,2 Prozent ein

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Normalerweise steigen die Löhne zumindest leicht. Selbst während der Finanzkrise gingen sie nur einmal zurück - und zwar von April bis Juni 2009 um 0,7 Prozent. Die Coronakrise reißt nun ein weitaus größeres Loch in die Lohntüten. Im Schnitt sind die Bruttomonatsverdienste im zweiten Quartal dieses Jahres um 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Gäbe es kein Kurzarbeitergeld, wären die Einkommen noch weitaus stärker eingebrochen. Die bezahlte Wochenarbeitszeit reduzierte sich im Durchschnitt um 4,7 Prozent.

Der verbreitete Einsatz von Kurzarbeit aufgrund der Corona-Pandemie hatte negative Effekte auf die Höhe und Entwicklung der Bruttomonatsverdienste sowie der Arbeitszeit, wenngleich das Kurzarbeitergeld die Einkommensverluste für die Beschäftigten zum Großteil abfederte«, konstatieren die amtlichen Statistiker aus Wiesbaden. Dabei trafen die Coronakrise und der durch die Pandemie notwendige Lockdown die Beschäftigten je nach Branche unterschiedlich. In der Hotelbranche belief sich der Einschnitt für die Beschäftigten auf 18, in der Autoindustrie auf 17 und in Gastronomie auf 11 Prozent, während es im Einzelhandel im Durchschnitt lediglich ein Prozent war.

Natürlich sind dies Durchschnittszahlen, die nur bedingt aussagen, wie viel der einzelne Beschäftigte einbüßen musste. Sie hängen davon ab, wie stark die Geschäfte vom Lockdown getroffen wurden, und können sich auch innerhalb von Branchen unterscheiden. So hatte der Lebensmittelhandel die ganze Zeit offen, Löhne wurden deswegen auch weiter gezahlt, während große Einkaufsläden erst im Mai wieder öffnen durften. Für Kneipen und Bars gingen die Einschränkungen weiter, und Clubs warten bis heute darauf, dass sie wieder ihre Pforten aufmachen dürfen. Dies alles hat Einfluss darauf, ob und wie lange die einzelnen Beschäftigten in Kurzarbeit waren beziehungsweise noch sind und wie viel Lohneinbußen sie insgesamt verzeichnen. Insgesamt erhielten zuletzt 6,7 Millionen Menschen Kurzarbeitergeld. Das ist mehr als das Vierfache als während der Wirtschaftskrise von 2008/9.

Die schwarz-rote Bundesregierung beschloss Ende April die Anhebung des Kurzarbeitergeldes. Demnach erhalten Beschäftigte nicht mehr über die gesamte Geltungsdauer nur 60 beziehungsweise 67 Pozent (als Eltern), sondern ab dem vierten Monat in Kurzarbeit 70 beziehungsweise 77 und ab dem siebten Monat 80 beziehungsweise 87 Prozent. Die Gewerkschaften bringen jetzt jedoch eine weitere Erhöhung ins Spiel. »Wenn wir Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt verhindern wollen, müssen wir die aktuelle Regelung bis zum März 2022 aufrechterhalten und das Kurzarbeitergeld weiter aufstocken«, sagte der DGB-Vorsitzende Rainer Hoffmann am Wochenende der »Bild am Sonntag«.

Eine konkrete Höhe nannte Hoffmann indes nicht. Doch insbesondere in den ersten drei Monaten kann es für Beschäftigte mit dem Kurzarbeitergeld sehr knapp werden. So fällt das Kurzarbeitergeld mit 60 beziehungsweise 67 Prozent so niedrig aus, dass man als alleinstehender Beschäftigter bei einem kompletten Arbeitsausfall noch mit einem Bruttomonatsverdienst von 2750 Euro Anspruch auf aufstockende Hartz-IV-Leistungen hat. Eine Kellnerin mit einem Bruttogehalt 1800 Euro bekommt zum Beispiel in den ersten drei Monaten nur 774 Euro.

Vor der Erhöhung des Kurzarbeitergeldes gab es deshalb insbesondere von der Opposition weitergehende Forderungen. Die Linkspartei regte eine Aufstockung auf 90 Prozent an, die Grünen waren bis zu einem Nettogehalt von 1300 Euro ebenfalls für 90 Prozent, die sich bis zu einem Gehalt von 2300 Euro auf 60 Prozent reduzieren sollten. Die Arbeitnehmervereinigung der Union sprach sich für ein Mindestkurzarbeitergeld von 1200 Euro aus.

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