Brandrodungen und Corona
Gewachsene Bedrohungen für Indigene in Brasilien
Berlin. Es geschah am Internationalen Tag der indigenen Völker: Bei Protesten gegen die Ölförderung wurden am Wochenende im peruanischen Amazonasgebiet mindestens drei Ureinwohner getötet, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete. Elf weitere Indigene sowie sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte wurden nach Regierungsangaben bei den Konfrontationen in der Region Loreto verletzt. Die mit Speeren bewaffneten Ureinwohner hatten versucht, ein Lager des kanadischen Ölunternehmens PetroTal zu besetzen. Aus dessen Ölquelle mit dem Namen »Lote 95« ist wiederholt Öl ausgetreten und hat die Umwelt verseucht.
Auch im riesigen Nachbarland Brasilien sind solche Konflikte eher die Regel als die Ausnahme. Unter dem rechten Präsidenten Jair Bolsonaro hat sich die Situation vieler indigener Völker noch verschlechtert. Hinzu kam nun auch noch die Corona-Pandemie. Anlässlich des Tages der indigenen Völker kritisiert das katholische Hilfswerk Misereor die Missachtung ihrer Menschenrechte vonseiten der brasilianischen Regierung scharf. »Die Berichte unserer Partner sind besorgniserregend. Die indigenen Menschen in Amazonien haben mit vielen parallelen Bedrohungen zu kämpfen, einigen Völkern droht die Auslöschung«, erklärte Misereor-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon. »Die Hälfte der indigenen Völker Brasiliens ist bereits von Corona-Infektionen betroffen. Die Indigenen sind die Hüter und Bewahrer Amazoniens, mit ihnen stirbt auch der Regenwald.«
Bereits vor Corona hatte sich die Lage der über 300 indigenen Völker in Brasilien verschärft: Vertreibungen, Landraub und Brandrodungen nahmen massiv zu, die Entwaldungsrate stieg unter Bolsonaro stark an: Von August 2019 bis Juli 2020 wurden rund 8754 Quadratkilometer Wald im brasilianischen Amazonas-Gebiet gerodet. Dies entspricht fast der Fläche Zyperns und ist knapp ein Viertel mehr als im Vorjahreszeitraum. »Indigene Völker haben einen ganz besonderen Bezug zu ihrem Territorium. Ihr Land ist ihre Identität, es ist ihre Heimat. Diese zu verlieren, bedeutet nicht nur ein traumatisches Erlebnis, sondern auch den Verlust ihrer Kultur und die Vernichtung ihrer Kultstätten«, meint Regina Reinart, Brasilien-Referentin bei Misereor.
Von Corona sind die indigenen Völker besonders betroffen: »Während von 100 000 Brasilianern 900 an bzw. mit Covid-19 sterben, sind es statistisch gesehen bei den Indigenen 1500«, rechnet Reinart vor. »Daran trägt die Regierung eine Mitverantwortung: Bolsonaro lehnte ein Gesetz ab, das die Regierung dazu verpflichten würde, traditionellen Gemeinschaften mehr Krankenhausbetten, Beatmungsgeräte und Sauerstoffgeräte zur Verfügung zu stellen.« Auch gegen die Bereitstellung von Trinkwasser, Hygiene- und Reinigungsmitteln, Interneteinrichtungen und Lebensmittelkörben, Saatgut und landwirtschaftlichen Werkzeugen habe er sein Veto eingelegt.
Misereor fordert auch in Deutschland Solidarität: »Unser billiges Fleisch oder unsere Gartenmöbel aus Teakholz werden auch auf Kosten indigener Völker produziert. Daher ist ein deutsches Lieferkettengesetz ein ganz wichtiger Schritt, der für Verbraucher mehr Klarheit schafft und deutsche Unternehmen zu globaler Verantwortung verpflichtet«, so Geschäftsführer Bröckelmann-Simon. nd
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