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Neue Proteste gegen Lukaschenko trotz Polizeigewalt
Auch am vierten Abend nach dem umstrittenen Wahlsieg in Belarus wird in vielen Städten demonstriert
Minsk. Trotz massiver Polizeigewalt haben den vierten Abend in Folge Menschen in vielen Städten in Belarus (Weißrussland) gegen Wahlfälschung unter Präsident Alexander Lukaschenko protestiert. In mehreren unabhängigen Kanälen des Nachrichtendienstes Telegram war auf Videos zu sehen, wie Menschen in Minsk, Grodno, Brest und anderen Städten Lukaschenko dazu aufriefen, die Gewalt zu beenden und abzutreten. Zugleich wuchs die Solidarität mit den Demonstranten. In Minsk traten mehr als 100 Ärzte gegen Gewalt auf. Der prominente Moderator des Staatsfernsehens, Jewgeni Perlin, kündigte angesichts der »Lügen« und »Gewalt« demonstrativ seinen gut bezahlten Posten.
In mehreren Städten bildeten sich Menschenketten gegen die Polizeigewalt. Bei der Präsidentenwahl am Sonntag hatte Lukaschenko, der seit mehr als 26 Jahren im Amt ist und als »letzter Diktator Europas« gilt, sich zum sechsten Mal als Sieger ausrufen lassen - mit 80,08 Prozent der Stimmen. Seine Gegner sehen dagegen die 37 Jahre alte Kandidatin Swetlana Tichanowskaja als Siegerin. Sie ist unter dem Druck der Behörden in das EU-Land Litauen geflohen.
Am Montag war bereits ein Demonstrant in der Hauptstadt Minsk zu Tode gekommen - laut Regierungsangaben, weil ein Sprengsatz in seinen Händen explodierte. Dutzende Verletzte wurden während der Proteste ins Krankenhaus eingewiesen. Nun starb ein 25-Jähriger nach seiner Festnahme in der Stadt Gomel im Süden des Landes, wie die Behörden am Mittwoch mitteilten. Die Todesursache war nach offiziellen Angaben unklar.
Nachbarstaaten bieten Vermittlung in Belarus an
Auch international wird das Vorgehen der belarussischen Behörden scharf kritisiert. Die Bundesregierung prangerte eine »Repressionswelle« an. Die Ausreise der Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja zeige, welches »Klima der Einschüchterung, der Angst, auch der Gewalt« in Belarus herrsche, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Tichanowskaja war nach der Wahl nach Litauen geflüchtet.
Angesichts der brutalen Polizeigewalt gegen Demonstranten haben die Nachbarländer Litauen, Polen und Lettland sich als Vermittler angeboten. Der litauische Präsident Gitanas Nauseda präsentierte einen entsprechenden Plan, um die Gewalt beenden zu können, wie die Präsidialkanzlei des baltischen EU-Landes am Mittwochabend mitteilte. Polen und Lettland würden diesen Plan sowie die Einleitung eines internationalen Vermittlungsprozesses unterstützen, hieß es weiter. Präsident Alexander Lukaschenko lehnt einen Dialog bislang strikt ab.
Nauseda sagte der Mitteilung zufolge, erstens müssten die Behörden in Belarus die Lage unverzüglich deeskalieren und »die Anwendung brutaler Gewalt gegen das Volk beenden«. Zweitens müssten alle inhaftierten Demonstranten freigelassen und ihre Verfolgung eingestellt werden. »Drittens erwarten wir, dass die belarussischen Behörden schließlich einen Dialog mit ihren Bürgern aufnehmen.« Die Einrichtung eines »Nationalrats« mit Vertretern aus Regierung und Zivilgesellschaft könnte ein geeigneter Schritt sein.
Nauseda sagte: »Die engsten Nachbarn von Belarus, einschließlich Litauen, brauchen ein stabiles, demokratisches, unabhängiges und erfolgreiches Land in ihrer Nachbarschaft. Das ist unvereinbar mit den jüngsten Entwicklungen, die wir mit großer Sorge verfolgen.«
Der nicht zur Wahl zugelassene Kandidat Waleri Zepkalo, ein prominenter IT-Unternehmer, appellierte aus seinem russischen Exil an die EU, Tichanowskaja als Präsidentin anzuerkennen. Hunderte IT-Unternehmer forderten Lukaschenko zum Einlenken auf und drohten in einem offenen Brief, mit ihren Firmen das Land zu verlassen.
Es kursierten mehrere Videos, auf denen Männer mit Kritik an der Gewalt gegen friedliche Bürger ihre Uniformen in den Müll warfen oder sogar verbrannten, ihre Dienstmarken mit Kündigungsschreiben abgaben. Sie erklärten, dass sie ihren Eid auf den Schutz des belarussischen Volkes und nicht dem Machterhalt eines Mannes geschworen hätten. Die Echtheit der Videos war nicht überprüfbar.
Die vierfache Biathlon-Olympiasiegerin Darja Domratschewa zeigte sich bei Instagram bestürzt über die Gewalt in ihrer Heimat. Sie appellierte an die Sonderpolizei Omon, die Gewalt zu beenden. »Lasst nicht weiter diesen ungerechten Horror auf den Straßen zu«, schrieb die »Heldin bei Belarus« bei Instagram. Jeder Konflikt lasse sich auf friedliche Weise lösen. In Minsk etwa schossen Männer in schwarzen Uniformen und Sturmmasken wahllos mit Gummigeschossen in Richtung von Bürgern, die von Balkonen aus die Sicherheitskräfte ausbuhten und »Schande« riefen. Es gab viele gewaltsame Festnahmen. Agenturen/nd
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