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Zwischen Flow und Kopfarbeit

Champions League: Wie weiter nach so einem Sieg, fragen sich die Bayern

  • Maik Rosner
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Sonntag ging die Vorbereitung aufs Halbfinale der Champions League weiter für den FC Bayern, und nun müssen sich die Münchner mit gleich zwei Gegnern beschäftigen, die so nicht vorgesehen waren. Eingestellt hatten sie sich nach dem denkwürdigen 8:2 (4:1) gegen den FC Barcelona im Viertelfinale vom Freitagabend auf ein Wiedersehen mit ihrem ehemaligen Trainer Pep Guardiola und Manchester City. Beim folgenden Fernsehabend wurden die Bayern jedoch Augenzeugen einer verblüffenden Änderung der Turnieragenda. Nicht der zum Topfavoriten erhobene Zweite der Premier League wird am Mittwoch im Estádio José Alvelade von Sporting Lissabon auf sie warten, sondern jener Tabellensiebte aus der abgebrochenen französischen Ligue 1, der neben Atalanta Bergamo und RB Leipzig als Außenseiter angereist war.

Das 3:1 (1:0) von Olympique Lyon gegen Manchester City im letzten Viertelfinale hatten die Bayern in ihrer Unterkunft »Penha Longa Resort« westlich von Lissabon im TV verfolgt. Erahnt haben sie dabei, dass sie es nun mit einer Mannschaft zu tun bekommen werden, die sich als unbequemer herausstellen könnte, als sie auf dem Papier aussieht. Lyons robuste Kompaktheit samt schnellem Konterspiel erscheint jedenfalls plötzlich gefährlicher als jener meist statische Ballbesitzstil, mit dem Guardiolas Skyblues an Olympique abgeprallt waren. Gerade auch für die mit und gegen den Ball stets stürmischen Bayern, die den historischen Offensivrausch gegen Barcelona körperlich und besonders mental verarbeiten müssen. Unangenehmer als Lionel Messi, Marc-André ter Stegen sowie die übrige demontierte Barça-Belegschaft dürfte Lyon schon deshalb werden, weil es den Münchnern wohl kaum den Gefallen tun wird, so viele Räume anzubieten.

Der FC Bayern steht gerade zwischen Flow und Kopfarbeit, angereichert von der Denksportaufgabe, wie Lyon am besten zu knacken sein wird. Ihr größter Gegner auf dem Weg zum angestrebten Titelgewinn und damit zweiten Triple der Klubgeschichte nach 2013 aber können wohl nur sie selbst sein. Schon nach der Gala gegen Barcelona klang das umgehend an, trotz kurzer Euphorie und Fassungslosigkeit. »Wir können uns erfreuen an dem Spiel«, sagte Hansi Flick, »wir wissen aber auch, dass man noch einiges vor der Brust hat. Und wir alle wissen, wie schnell das im Fußball gehen kann.« Hasan Salihamidzic ergänzte vorsichtshalber: »Wir sind wirklich glücklich - aber wir wollen mehr.«

Zur Beruhigung des Trainers und Sportvorstands trug bei, dass das Bewusstsein, noch nichts erreicht zu haben, »auch in der Kabine zu spüren gewesen« sei, wie es Flick formulierte. Zumal die unverminderte Gier bei seinen Spielern ebenfalls zum Ausdruck kam nach dem epochalen Erfolg durch die Tore von Thomas Müller (4./31.), Ivan Perisic (21.), Serge Gnabry (27.), Joshua Kimmich (63.), Robert Lewandowski (82.) und Leihspieler Philippe Coutinho (85./89.), der sich nach dem Turnier vorerst wieder Barcelona anschließen wird.

»Kaum zu begreifen« sei dieses »unglaubliche Ergebnis«, sagte Kimmich, aber: »Wir sind noch nicht fertig.« Das Selbstvertrauen, befand Leon Goretzka, »wird sicher nicht weniger. Aber es war nur der erste Schritt. Im nächsten Spiel bringt uns dieses Ergebnis nichts.« Nach so einem Spiel werde es fast ein wenig schwieriger, daran erinnerte Thomas Müller, Zeitzeuge beim 7:1 (5:0) der deutschen Nationalmannschaft gegen Brasilien im WM-Halbfinale 2014, auf das ein 1:0 nach Verlängerung gegen Argentinien im Finale folgte.

Den Bayern fehlen nun sogar noch zwei Siege zum Titel und Triple. Und Barcelona hatte zumindest kurz gezeigt, dass Flicks Elf durchaus verwundbar ist, trotz nun 19 Pflichtspielsiegen in Serie und 28 Partien ohne Niederlage. Doch das Eigentor von David Alaba (7.), die Drangphase danach von Barça und das 4:2 durch Luis Suárez (57.) blieben Fußnoten, weil die Bayern jeweils umgehend ihren unbedingten Siegeswillen und ihre Überlegenheit durchs »brutale Pressing« (Goretzka) dokumentierten. Exemplarisch für ihre Wucht stand auch jener Messi-Moment, bei dem Barcelonas trauriger Künstler nur zum Spalier zählte.

Ihn ließ Alphonso Davies an der Mittellinie zu Beginn seines Sololaufs stehen, dann den früheren Münchner Krieger Arturo Vidal. Auf links außen angekommen, führte der 19 Jahre alte Davies ein paar Körpertäuschungen auf, ehe er Nélson Semedo davonlief, bis zur Grundlinie kurz vor ter Stegens Tor dribbelte, verzögerte und mit Übersicht auf Kimmich zurücklegte, der nur noch zum 5:2 einschieben musste. Kimmich sagte über Davies: »Unglaublich. Ich habe mich fast geschämt, weil ich mich nach dem Tor gefreut habe, weil das natürlich zu 99 Prozent sein Tor war.«

Lyon hat’s auch gesehen und vor Manchester City bereits den Mitfavoriten Juventus Turin und Cristiano Ronaldo ausgeschaltet. Den Bayern, das haben sich diese nach dem TV-Abend fest vorgenommen, soll das nicht passieren. Und vor allem nicht, dass sie an sich selbst scheitern.

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