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Quatsch mit rassistischer Soße
Warum die Umbenennung der würzigen, roten Parikasauce ein Fortschritt ist
Es gibt nur äußerst wenige Speisen und Getränke, für die sich die deutsche Küche international rühmen könnte. Neben der großen Brot- und Biervielfalt gibt es nichts, was Gourmets bei einer Flucht vor der geschmacklichen Tristesse ins Ausland vermissen könnten. Das mag auch daran liegen, dass es der Durchschnittsfeinschmecker hierzulande eher schlicht und überschaubar mag. Ein sommerlicher Quinoasalat auf dem Grillbuffet gilt da beinahe schon als Kriegserklärung an Millionen hochsensibler Gaumen, die über viele Sommer hinweg auf Bratwurst und Nackensteak trainiert wurden.
Damit die 1,99 Euro Discounterware nicht nur nach verkohltem Tierleid schmeckt, tunkt der Deutsche seine gegrillten Fleischberge am liebsten in Fertigsoßen, die einen Hauch angeblicher »Exotik« vermitteln sollen, weshalb sie Namen wie »Karibik süß« oder »Zigeunersauce« tragen. Während die erstgenannte Tunke noch als überspitze Karikatur auf des Deutschen Fernweh verstanden werden kann und ähnlich unspektakulär daherkommt wie ein Toast Hawaii, ist die gewürzte Paprikasoße mit rassistischer Namensbezeichnung ein kulturelles Problem.
Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten, für die Bezeichnung einer Speise gilt diese Grundregel allerdings nicht. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die zum Lebensmittelkonzern Unilever gehörende Marke Knorr ihre »Zigeunersauce« in »Paprikasauce Ungarische Art« umbenennt. In der PR-Abteilung des internationalen Food-Giganten hat man glücklicherweise »bereits« im Jahr 2020 erkannt, dass eine diskriminierend gemeinte Fremdbezeichnung für Sinti und Roma keine passende Bezeichnung für ein Produkt ist.
Dies alles wäre keine Erwähnung wert, würde Knorr seit Bekanntwerden der Entscheidung in den sozialen Netzwerken nicht massiv beschimpft. Die Empörung ist dabei großer Quatsch mit viel rassistischer Soße - und reicht im Wesentlichen nicht über Schlagworte wie angebliche »politische Korrektheit«, »Sprachpolizei« und ein »neulinkes Meinungs- und Sprachdiktat« hinaus.
Es handelt sich um die x-te Neuauflage einer Debatte darüber, dass eben nicht die weiße, deutsche Mehrheitsgesellschaft darüber entscheiden sollte, welche Begriffe diskriminierend sind. Dass das Z-Wort eben genau dies ist, betonen Verbände von Sinti und Roma seit Jahrzehnten.
Wer zur Verteidigung darauf verweist, dass der Name der gewürzten Paprikasauce Tradition habe, argumentiert auf einem ähnlichen Niveau wie jene konservativen Sprachkritiker, die die Auseinandersetzung der Duden-Redaktion mit gendergerechter Sprache durch die Behauptung diskreditieren, die deutsche Sprache sei mit dem Gendersternchen nicht kompatibel.
Nun ist das Werkzeug Sprache aber einer permanenten Veränderung unterworfen und ihr Vokabular (und ihre Grammatik) immer auch Ausdruck der jeweils aktuell herrschenden Machtverhältnisse. Als die rote Paprikasauce vor über 100 Jahren das erste Mal nachweislich in einem Rezept erwähnt wurde, interessierte sich generell kaum jemand dafür, ob Sinti und Roma diskriminiert werden. Zum Glück ist das heute anders.
Wie lange es dauert, bis sich eine diskriminierungssensible Sprache durchsetzt, zeigt das Beispiel des Schokokusses. Tatsächlich gab es noch bis 2005 einen auch in Deutschland vertretenden niederländischen Händler, der die Süßware unter ihrer rassistischen Bezeichnung verkaufte. In der Schweiz wiederum gibt es einen Hersteller, der auf den Begriff nicht verzichten will und deshalb im Juni vom Großhändler Migros aus dem Sortiment gestrichen wurde, was bei den Eidgenossen eine große Debatte auslöste.
Auf dem öffentlichen-rechtlichen Nachrichtenportal Swissinfo war dazu treffend in einer Analyse von »weißer Nostalgie« die Rede, was das Unverständnis darüber beschreibt, warum Begriffe, die in der eigenen Kinderheit noch üblich waren, in der Gegenwart nicht mehr zum Sprachschatz gehören sollten. Die Antwort ist auch hier: Weil sich die (weiße) Mehrheitsgesellschaft noch vor wenigen Jahrzehnten nicht dafür interessierte, ob ein Begriff rassistisch sein könnte.
Der Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma begrüßte Knorrs Umbenennung im Übrigen, betonte aber, dass die eigentliche Herausforderung der wieder zunehmende Antiziganismus in der Gesellschaft ist.
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