»Nur, wenn ihr mich tötet«

Alexander Lukaschenko geht auf Konfrontation, seine Herausforderin Swetlana Tichanowskaja auch

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Sonntag erlebte der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko eine klare Niederlage. Während zu seiner Demonstration in Minsk nur bis zu 10 000 Menschen kamen, konnte die Opposition mehr als 100 000 versammeln. Dazu verlief die Demonstration der Oppositionsbewegung friedlich. Die Menschen spazierten ruhig vom Siegespark zum Unabhängigkeitsplatz, wo es auch kurz vor dem Parlament keinerlei Ausschreitungen gab. Ähnliche Aktionen fanden auch in anderen größeren Städten statt. Für den 65-jährigen Autokraten bedeutet dies: Er würde bei einer Neuwahl nicht mal annähernd an seine angeblichen 80 Prozent kommen. Selbst eine Mehrheit wirkt für ihn unerreichbar. Am Montag meldete sich nun auch Lukaschenkos Herausforderin Swetlana Tichanowskaja zu Wort, die vergangene Woche unfreiwillig nach Litauen ausreisen musste. »Ich bin bereit, die Verantwortung zu übernehmen und in dieser Zeit als nationale Anführerin aufzutreten«, betonte die Englischlehrerin und Übersetzerin, die statt ihres Mannes, des verhafteten Blogger Sergej Tichanowskij, bei der Präsidentschaftswahl am 9. August kandidierte.

Am Vorabend spekulierten noch die polnischen Medien, Tichanowskaja könnte sich zur Präsidentin erklären und sich dann von der EU anerkennen lassen. Dazu ist es zwar nicht gekommen, die 37-Jährige stellt sich jedoch mit ihren Aussagen als Gesicht einer möglichen Übergangsregierung nach dem Abgang Lukaschenkos zur Verfügung. Mehr will sie wohl auch nicht werden. Denn Tichanowskajas ursprünglicher Plan war es sowieso, möglichst innerhalb von sechs Monaten, die Grundlage für die Austragung freier Präsidentschaftswahlen zu schaffen, an denen dann etwa ihr Mann und der ebenfalls verhaftete Bankier Wiktor Babariko, ursprünglich wichtigster Gegner Lukaschenkos teilnehmen könnten.

Die Opposition, die ihre Demo am Sonntag am Abend selbst auflöste, setzt in dieser Woche vor allem auf einen landesweiten Streik. Das ist ein insofern eine vielversprechende Strategie, weil die Regierung aufgrund der aktuellen Wirtschaftskrise kaum Spielraum hat. Sollten die größeren Betriebe stillstehen, hat Lukaschenko sehr schnell ein Problem. So wird bereits seit Montag bei Belaruskali gestreikt, einem der wichtigsten Kaliproduzenten der Welt.

Auch ein Besuch Lukaschenkos bei der strategisch wichtigen Minsker Fabrik für Radschlepper ging für den Präsidenten nach hinten los. Obwohl er nur von einer ausgewählten Gruppe Mitarbeiter auftrat, waren von dieser fast nur Hau-Ab-Rufe zu hören. »Danke! Schreit weiter. Das ist meine Antwort auf die Frage«, sagte Lukaschenko darauf. »Wir haben die Wahlen schon ausgetragen. Andere Wahlen gibt es nur dann, wenn ihr mich tötet.« Weiterhin wird auch in Teilen des belarussischen Staatsfernsehens gestreikt, was die Lage für Lukaschenko noch einmal erschwert. Doch selbst wenn die Strategie der Opposition nicht aufgeht, ist es unklar, wie die belarussischen Sicherheitsbehörden zukünftig Menschenmengen wie am Sonntag auflösen wollen. An Verhandlungen mit der Opposition würde eigentlich kein Weg vorbei führen, obwohl Lukaschenko diese kategorisch ablehnt. Sonst käme es früher oder später zu Ausschreitungen, auch wenn die Demonstranten das verhindern wollen.

Unklar bleibt zudem, ob und in welcher Form Russland Lukaschenko unterstützten könnte. Unabhängige russische Blogger vom Conflict Intelligence Team, die unter anderem mit Satellitendaten Militärkonflikte analysieren, wollen verifiziert haben, dass am Sonntagabend LKWs mit der russischen Nationalgarde ohne Kennzeichen die belarussische Grenze überquert haben. Die Nationalgarde ist dem Innenministerium unterstellt und wird lediglich im Inland eingesetzt. Sollten diese Angaben stimmen, könnte die russische Verstärkung entweder der müden belarussischen Polizei helfen oder der Sicherheit Lukaschenkos dienen.

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