Kein Titel, keine Räumung

Innenausschuss debattiert über Polizeieinsatz in der Rigaer Straße

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

Irgendwann reißt dem Innensenator der Geduldsfaden: »Sie haben jegliches Maß verloren, was die öffentliche Sicherheit der ganzen Stadt angeht, mit Ihrem Spleen mit der Rigaer Straße«, sagt Andreas Geisel (SPD) Richtung CDU-Fraktionschef Burkard Dregger. Es ist Montagmorgen im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses und wieder einmal geht es um die Rigaer Straße. Hier will die Opposition aus CDU, FDP und AfD einen »rechtsfreien Raum« ausgemacht haben und sieht in den jüngsten Vorkommnissen von Mitte Juli gar eine »Strafvereitelung im Amt«, wie es im Antrag heißt.

Rückblick: Im Zuge einer Razzia am 9. Juli hatte der vorgebliche Hausverwalter des teilbesetzten Hausprojekts »Rigaer94«, Thorsten Luschnat, ohne ausreichend bevollmächtigt zu sein und ohne Räumungstitel gemeinsam mit Security und Bauarbeitern aus dem Hells-Angels-Umfeld versucht, mehrere Wohnungen zu räumen (»nd« berichtete). Als Luschnat gemeinsam mit dem ebenfalls nicht bevollmächtigten Anwalt der Eigentümerfirma »Lafone Investment Ltd«, Markus Bernau, am 13. Juli erneut vor dem Haus auftauchte, wurde er von rund 20 Vermummten angegriffen, die daraufhin in das Haus flüchteten. Die herbeigerufenen Polizist*innen scheiterten bei der Verfolgung jedoch an einer eingebauten Stahltür.

Die Opposition witterte daraufhin einen Skandal: Lag die Zurückhaltung der Polizei etwa am Entscheidungsvorbehalt zum gewaltsamen Eindringen in linke Szeneobjekte, laut dem die Behördenleitung vorher einzubinden ist? Und wie konnte es überhaupt zu dem Angriff kommen, wo Luschnat doch vorher Polizeischutz erbeten hatte? Doch der Frontalangriff von CDU, FDP und AfD auf Rot-Rot-Grün fiel schnell in sich zusammen. Zuerst wurde eine Anhörung von Luschnat und Bernau abgelehnt, dann erklärte Polizei-Vizepräsident Marco Langner, dass der Entscheidungsvorbehalt weder etwas mit dem Einsatz am 13. Juli zu tun hatte noch ausschließlich für linke Szeneobjekte gelte, sondern auch im Rocker-Milieu oder bei Banküberfällen angewendet werde.

»Ziel des Senats ist die Befriedung der Rigaer Straße«, erklärte Geisel. Dazu brauche es eine »dauerhafte Lösung«. »Sich selbst in Gefahr zu bringen, stellt keine nachhaltigen Lösung für das Projekt dar«, sagte er mit Blick auf Luschnat und Bernau, denen der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Niklas Schrader, vorwirft, den Konflikt absichtlich anzuheizen. Der Innensenator nimmt stattdessen die »Lafone Investment Ltd« in die Pflicht: »Der Eigentümer muss seine Ansprüche zivilrechtlich geltend machen und einen Räumungstitel erwirken.« Erst dann könne geräumt werden, stellte Geisel klar. Zweimal war die britische Briefkastenfirma mit ihren Räumungsklagen gegen die besetzte hauseigene Kneipe »Kadterschmiede« vor Gericht gescheitert, weil sie keine gültigen Vollmachten für ihre Vertreter nachweisen konnte.

Geisel deutete an, dass ein neues zivilrechtliches Verfahren zurzeit laufe, und hofft, dass dieses die Frage nach der Legitimität der Eigentümer-Vertreter ein für alle Mal klärt. Vorher könnten diese für ihr Eindringen in die »Rigaer94« aber auch keinen Polizeischutz anfordern. Laut »Tagesspiegel« haben die Eigentümer-Anwälte am Montag erneut Räumungsklage gegen die »Kadterschmiede« eingereicht. Zudem gebe es Bewegung bei den Verhandlungen zwischen der Senatsfinanzverwaltung und der »Lafone Investment Ltd« über einen möglichen Kauf des Hauses durch das Land Berlin. Auch dafür braucht es jedoch einen berechtigten Vertreter.

Nach mehr als zweieinhalb Stunden Streit um die Rigaer Straße bleiben für den Tagesordnungspunkt »BAO Fokus« nur noch 20 Minuten Zeit. Der Abschlussbericht der Sonderermittlungsgruppe zur rechten Terrorserie in Berlin-Neukölln soll am 31. August oder am 14. September im Innenausschuss vorgestellt werden. Danach will Geisel eine externe Expertenkommission einsetzen.

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