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Hormoncocktails für alle!
Birthe Berghöfer über die Pille für den Mann, deren Markteinführung überfällig ist
Vor genau 60 Jahren kam ein klitzekleines Wunder auf die Welt, dass das Leben vieler Frauen auf den Kopf stellte: die Anti-Baby-Pille. Sie versprach sexuelle Freiheiten, aber eben auch eine volle Ladung an Hormonen, samt ihren Nebenwirkungen. Und während es für Frauen heute rund 50 Pillen zur Auswahl gibt, steckt die Forschung zur Pille für den Mann noch in den Kinderschuhen.
Der erste, bereits in den 1950ern getestete Hormoncocktail für den Mann vertrug sich leider nicht mit Alkohol. Eine vielversprechende Studie der Weltgesundheitsorganisation wurde 2011 noch einmal rechtzeitig aus dem Verkehr gezogen, bevor sich ein neues Verhütungsmittel über die Welt ergoss. Die Probanden klagten über Gewichtszunahme, Libidoveränderungen und Stimmungsschwankungen. Leiden wie bei der Männer-Grippe?
Dass die Pille für den Mann trotz zunächst vielversprechender Forschung noch immer nicht auf dem Markt ist, hat verschiedene Gründe. Schwer wiegt dabei das Desinteresse der Pharmaindustrie. Statt Geld in die Entwicklung von Hormonpräparaten für den Mann zu stecken, vergnügt sie sich mit der Nachfrage weiblicher Abnehmerinnen und damit, immer mehr und teils lebensgefährliche Hormonpräparate im Gewand eines Lifestyle-Produktes zu vermarkten. Wo keine Nachfrage ist, da ist auch kein Geld, könnte man meinen. Man läge in diesem Fall jedoch falsch. Laut Expert*innen sind Männer durchaus an hormoneller Verhütung interessiert – nur wäre diese eben auf Kosten der Einnahmen durch die herkömmliche Pille.
Während die Pharmaindustrie sich auf Frauen konzentriert, scheint die Medizin sich in erster Linie am Mann abzuarbeiten. Der männliche Körper ist die Norm und geschlechtsspezifische Medizin ein Nischenthema. Ein bekanntes Beispiel ist der Herzinfarkt: Die bekanntesten Symptome des als Männerkrankheit geltenden Infarkts sind Schmerzen in der Brust und dem linken Arm – beim Mann! Frauen hingegen erleiden eher Übelkeit, Müdigkeit und Schlafstörungen. In der Folge sterben Frauen häufiger an unerkannten Herzinfarkten. Eine gefährliche Fokussierung, die auch erklären würde, warum die exakt gleichen Nebenwirkungen der Pille bei Männern schwerer wiegen als bei Frauen.
Die Pille für den Mann, sie könnte so schön sein. Auch wenn immer mehr Paare sich die Kosten der Medikation teilen, so bleibt Verhütung wohl noch eine ganze Weile Frauensache. Genauso wie Diskussionen mit Männern, die zwar Sex wollen, deswegen aber nicht unbedingt Kondome dabei haben. Oder sie haben welche dabei, finden das Gefühl beim Sex aber einfach »nicht so schön«. Das Gefühl neun Monate lang – und darüber hinaus – den Nachwuchs heranzuzüchten, bleibt ihnen ja erspart. Eine eventuell folgenreiche Ignoranz gegenüber dem Thema Verhütung – und dem Schutz vor Geschlechtskrankheiten.
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