Defizitärer Luxus

Viele Regionalflughäfen können nur mit hohen Subventionen überleben

  • Hans-Gerd Öffinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Jahrelang setzten Lokalpolitiker auf Regionalflughäfen, von denen ein niemals endender Boom ausgehen sollte. Diese Träume sind nicht erst seit Ausbruch der Corona-Pandemie geplatzt. Nun bringt es eine am Mittwoch vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) und der Umweltorganisation BUND veröffentlichte Studie auf den Punkt: Viele der 14 deutschen Regionalflughäfen mit einem Fluggastaufkommen von 200 000 bis drei Millionen Passagieren pro Jahr sind unwirtschaftlich, schaden dem Klima und verschlingen staatliche Gelder, die für den Ausbau einer nachhaltigen Verkehrsinfrastruktur fehlen.

Etliche der Regionalflughäfen entstanden seit den 1990er Jahren auf ehemaligen Militärbasen. Hier brachen Scharen von Urlaubern mit Billigfliegern in den Süden auf. Doch schon vor der Coronakrise seien die Fluggastzahlen geschrumpft, so das Papier. Besonders drastisch sei dieser Einbruch 2019 an den Flughäfen Weeze (Niederrhein), Hahn (Rheinland-Pfalz), Rostock und Erfurt-Weimar gewesen. »Mit 24 Hauptverkehrsflughäfen, darunter die Regionalflughäfen, wurden in Deutschland massive Überkapazitäten aufgebaut«, heißt es in der Studie. »Durchschnittlich 60 Autominuten liegen die Konkurrenzflughäfen, weniger als 100 Bahnminuten die nächsten großen internationalen Verkehrsflughäfen entfernt.«

Als Folge der ruinösen Flughafenkonkurrenz würden »keine kostendeckenden Entgelte verlangt«, so die Studie. Lediglich drei Regionalflughäfen seien 2018 ohne Subventionen ausgekommen. Besonders negativ bewertet die Studie die sieben Flughäfen Hahn, Kassel-Calden, Weeze, Paderborn/Lippstadt, Rostock/Laage, Erfurt/Weimar und Saarbrücken, die umgehend aufgegeben werden sollten. »Billige Urlaubsflüge zu südlichen Zielen sind keine Daseinsvorsorge, sondern Luxus«, sagt BUND-Chef Olaf Bandt. Die Coronakrise werde ohnehin Insolvenzen von Regionalflughäfen und Fluggesellschaften »massiv beschleunigen«. Radikaler Kahlschlag der Airlines, Standortschließungen und Abbau von Flugzeugen und Beschäftigten würden »die Regionalflughäfen besonders treffen«.

So ist nach Einschätzung des deutschen Luftverkehrsverbands BDL derzeit jeder zweite der rund 1,1 Millionen mit der Luftfahrtbranche verbundenen Jobs bedroht. Alle deutschen Flughäfen verzeichneten im ersten Halbjahr 2020 in der Summe einen Rückgang der Passagierzahlen um rund 66 Prozent.

Die besondere Misere der Regionalflughäfen hat laut den Studienautoren eindeutige Ursachen: »Weil die Bundesregierungen der letzten 20 Jahre kein schlüssiges, bundesweites Flughafen- und Luftverkehrskonzept zentral koordinieren konnten, nutzten Lokal- und Landespolitiker die Gestaltungsfreiheit.« Dadurch sei eine viel zu große Flughafendichte mit konkurrierenden Airports entstanden. Ein besonders krasser Fall von »Kirchturmspolitik« sei der ehemalige Regionalflughafen Zweibrücken (Westpfalz), der gerade einmal 20 Kilometer vom Airport Saarbrücken entfernt liege. Dort sei der kommerzielle Flugbetrieb vor Jahren eingestellt worden, nachdem bekannt wurde, »dass die EU-Kommission Beihilfen in Höhe von 56 Millionen Euro für illegal erklären würde«. Die meisten Flughafenbetreiber sind ganz oder mehrheitlich in öffentlicher Hand und verbuchen Verluste, die sich nach Angaben der Studie auf 60,3 Millionen Euro jährlich summieren. Über allem hängt als Damoklesschwert, dass ab 2024 staatliche Beihilfen für defizitäre Flughafenbetreiber EU-rechtlich untersagt sind.

Auf der Strecke geblieben sind auch ostdeutsche Regionalflughäfen wie Altenburg (Thüringen) oder Magdeburg-Cochstedt (Sachsen-Anhalt). Der irische Billigflieger Ryanair flog jahrelang Altenburg an und bekam 2009 vom Kreistag 670 000 Euro als »Marketingzuschüsse« bewilligt. Alles vergeblich, 2011 hob hier die letzte Ryanair-Maschine ab. Unterwürfigkeit zahlte sich auch in Rheinland-Pfalz nicht aus, wo man lange den Flughafen Hahn als »Jobwunder« im ländlichen Hunsrück feierte. Die Zusage eines Ryanair-Managers, man werde sich nicht aus Hahn verabschieden, hielt nur kurz.

»Die Krise birgt die Chance der Konsolidierung des völlig ineffizienten deutschen Flughafensystems«, so die Studie. Die betroffenen Liegenschaften könnten in Gewerbegebiete umgewandelt werden. Auf jeden Fall müsse die Bundesregierung für die strikte Einhaltung des kompletten Beihilfeverbots ab 2024 sorgen, so eine zentrale Forderung. Ein neues nationales Flughafenkonzept müsse »den Flughafenwildwuchs lichten« und auf ein internationales Zug-Flug-System von Lufthansa und Bahn setzen. So könne etwa Reisenden aus Erfurt künftig auch eine halbstündige ICE-Fahrt zum Flughafen Halle/Leipzig zugemutet werden.

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