Die Miete auf einen Schlag verdoppelt
Mieterverein Erkner und Umgebung macht krasse Forderung der kommunalen Wohnungsgesellschaft publik
Es ist ein bescheidenes kleines Häuschen vor den Toren Berlins - günstig gemietet für 293,14 Euro pro Monat. Doch zum 1. März 2021 sollen sich die Kosten auf 611,10 Euro erhöhen und damit auf einen Schlag mehr als verdoppeln. Wie geht das und ist das überhaupt zulässig?
Der örtliche Mieterverein Erkner und Umgebung hat den Fall am Dienstagabend in einer Pressemitteilung öffentlich gemacht - nachdem die kommunale Wohnungsgesellschaft Erkner mbH (WGE) auf die Bitte, den Vorgang zu erklären, nicht reagiert habe, wie der Mietervereinsvorsitzende Michael-E. Voges sagt. Die Mieterin habe das Haus 1981 mit ihrer Familie bezogen. Zwei Personen leben jetzt noch dort. Im Frühjahr habe die Wohnungsgesellschaft die Elektroanlage für 12 862,08 Euro erneuert. Mit 161,55 Euro monatlich soll die Mieterin an den Kosten der Modernisierung beteiligt werden. Nach Einschätzung von Voges wären - großzügig gerechnet - maximal 16 Euro Aufschlag gerechtfertigt.
Damit nicht genug: »Die Wohnungsgesellschaft scheint bisher angenommen zu haben, die Wohnfläche des kleinen Häuschens betrage 56,2 Quadratmeter«, sagt Voges. »Wir wissen nicht, wie sie darauf gekommen ist. Auch die Mieterin weiß das nicht. Der Mietvertrag nennt keine Wohnungsgröße. Eine genaue Wohnfläche war bei Abschluss des Mietvertrags augenscheinlich kein Thema. Nun will die Wohnungsgesellschaft das Häuschen neu vermessen haben - und kommt auf 100,72 Quadratmeter Wohnfläche.« Unterschiede können sich bei Wohnungsgrößen ergeben, weil in der DDR die schrägen Wände in Dachgeschossen anders berücksichtigt worden sind als es heute in der Bundesrepublik üblich ist. Wie es aber allein damit zu einer angeblichen Verdoppelung der Wohnfläche gekommen sein soll, ist Voges schleierhaft.
Nun denke die Wohnungsgesellschaft vielleicht, so erläutert er, wenn sich die Wohnfläche auf fast das Doppelte des Angenommenen belaufe, so gelte das Gleiche für die Grundmiete - und erhöhe diese flugs von monatlich bisher »zugegeben geringen« 105,44 Euro auf 188,97 Euro. Und das müsse wohl, so scheine die Wohnungsgesellschaft zu glauben, auch für die Vorschüsse auf die Betriebskosten gelten. Bisher habe die Mieterin 92 Euro Vorschuss gezahlt. Das sei auskömmlich gewesen, habe die anfallenden Kosten gedeckt. Das ändere sich selbstverständlich auch nicht, wenn die Wohnungsgesellschaft nun von einer größeren Wohnfläche ausgehe. Trotzdem verlange sie ab 1. März kommenden Jahres 165,94 Euro Betriebskostenvorschuss.
Gegen eine Mieterhöhung, die im Rahmen bleibt, und sich auf 10 oder 15 Prozent beläuft, wäre nichts zu sagen gewesen, meint Voges. »Da hätten wir nicht dran gerührt.« Aber so klingt die Eigenwerbung der kommunalen Wohnungsgesellschaft wie Hohn. »Regelmäßiger Dialog mit unseren Mietern wird bei der WGE groß geschrieben«, heißt es da. »Denn für uns steht fest: Nur gemeinsam geht es besser. Damit es sich bei der WGE auch künftig gut leben lässt!« Auch von sozialem Miteinander wird da gesprochen. Doch auf ein Schreiben vom 20. Juli habe der Mieterverein bis heute keine sachdienliche Antwort erhalten, bemängelt Voges.
»Als städtisches Wohnungsunternehmen haben wir die sozialen Aspekte rund um das Thema Wohnen stets im Blick und sind grundsätzlich am Dialog mit unseren Mieterinnen und Mietern interessiert«, beteuert die WGE-Geschäftsführerin Susanne Branding am Mittwochvormittag. Auf Presseanfragen hat sie zügig reagiert. Bedauerlicherweise habe der Vorsitzende des Mietervereins trotz schriftlicher Zwischenbescheide und trotz Urlaub des Sachbearbeiters und der Geschäftsführerin nicht abwarten können, »um hier zu einem Gesprächstermin mit mir zu kommen«, beschwert sich Branding. Es müsse davon ausgegangen werden, »dass es sich um den Versuch einer grundlosen Kampagne gegen unser Unternehmen handelt«. Branding berichtet, sie habe sich jetzt mit der Mieterin telefonisch verständigt, die Angelegenheit im persönlichen Gespräch »ohne den Mieterverein« kurzfristig einvernehmlich zu lösen.
Es könnte darauf hinauslaufen, dass sich beide Seiten auf eine Miete von rund 450 Euro einigen, vermutet Voges.
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