Paris will grüner und kühler werden

Gegen die fortschreitende Betonisierung

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Nicht nur hierzulande ächzen die Menschen immer mehr bei Temperaturen über 30 Grad. Über Frankreich rollte bereits eine noch weitaus schlimmere Hitzewelle. Die Hauptstadt Paris will deswegen nun aktiv werden. Um der fortschreitenden Betonisierung entgegenzuwirken, die in Hitzeperioden wie gerade erst wieder in diesem Monat zu einer unangenehmen »Aufheizung« der Stadt führt, soll die in der Vergangenheit immer mehr verdrängte Natur zurückgeholt und dadurch ein »bioklimatischer« Effekt erzielt werden.

In diesem Sinne hat der Stadtrat auf einer der ersten Tagungen seiner neuen Legislaturperiode eine Änderung des Bebauungsplans der Hauptstadt eingeleitet. Das ist ein juristisch komplizierter Prozess und dürfte nicht vor 2024 abgeschlossen sein. Ziel es ist, dass künftig bei allen Bauprojekten detailliert ausgewiesen werden muss, welche Maßnahmen für Umweltschutz und Artenvielfalt eingeplant sind und wie auf die zu erwartenden Klimaveränderungen reagiert werden soll. Zusammen mit der seit Jahren bewusst betriebenen Verdrängung des privaten Autoverkehrs aus der Stadt durch Geschwindigkeitsbegrenzungen, die Einschränkung der Fahrspuren und der Parkflächen sowie das Verbot von Fahrzeugen mit Dieselmotor ab 2024 soll das zu einer spürbaren Verbesserung der Luft und damit der Lebensqualität beitragen.

In der Perspektive soll Paris bis 2050 Kohlendioxidneutral werden. Dazu gehört eine Naturkompensation für neue Bauten. Das bedeutet, dass für jeden neu bebauten Quadratmeter in der Stadt ein Quadratmeter Park- oder Gartenfläche angelegt werden muss. »Bisher brachte es einem Immobilienentwickler nichts ein, wenn er einen Baum pflanzen oder eine Rasenfläche anlegen ließ, während Neubauten enorme Gewinne versprachen«, sagt der für Urbanismus zuständige stellvertretende Bürgermeister Emmanuel Grégoire. »Das wird sich jetzt ändern.« Das größte Problem besteht allerdings schon heute darin, geeignete Flächen zu finden, zumal Paris mit durchschnittlich 20 754 Einwohnern pro Quadratkilometer - und in einigen Vierteln bis zu 40 000 - eine der am dichtesten bebauten Städte Europas ist. Im Stadtgebiet sind Abbruchgelände aufgegebener Industriebetriebe und andere Brachlandflächen rar geworden. Darum weicht man mehr und mehr auf die Flachdächer aus, auf denen schon vielerorts Gemüsegärten entstanden sind.

Soweit die Gebäude der Stadt gehören, werden diese Gärten meist von Bürgervereinen betreut und über die Wochenmärkte tragen sie zur Versorgung der Bevölkerung mit Frischgemüse bei. Einige Privatunternehmen verpachten Flächen auf ihrem Dach als »Schrebergärten« an interessierte Familien oder sie beschäftigen einen eigenen Gärtner und das geerntete Gemüse versorgt die Betriebskantine. Doch nicht nur solche begrünten Dächer können künftig in den Flächenausgleich einbezogen werden, sondern auch begrünte Hausfassaden. Touristen kennen sicher die der Seine zugewandte »Pflanzenwand« des 2006 eingeweihten Museums für die Kunst der Urvölker am Pariser Quai Branly. Sie wurde vom Architekten Jean Nouvel von vornherein so konzipiert, dass an ihr dank mit Erde gefüllter Rillen oder Fächer und unterstützt durch Tröpfchenbewässerung Moose, Gräser, Strauchwerk und andere Pflanzen anwachsen und ranken können.

Solche begrünten Fassaden und Wände gibt es inzwischen schon an zahlreichen Alt- und Neubauten in verschiedenen Stadtteilen und auch im Innern von Ladengalerien. Ihr Grün ist eine Wohltat für die Augen, doch vor allem verbreiten sie einen Hauch von Frische. Ein besonderes Anliegen des bisherigen Grünen-Fraktionsvorsitzenden und jetzigen stellvertretenden Bürgermeisters für Grünflächen und Verkehr David Belliard ist neben der Pflege der großen und der vielen kleinen städtischen Parks auch die Erhaltung der zahllosen Innenhof-Grünflächen oder der privaten Gärten, die als »Frischeinseln« im Häusermeer dienen und nach Möglichkeit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Geplant ist außerdem, beim Straßenbau künftig öfter hellen Beton statt schwarzen Asphalt einzusetzen und die Hauseigentümer zu überzeugen, ihre Dächer hell zu streichen, damit diese die Sonnenwärme abstrahlen, statt sie aufzunehmen. Andere Vorschläge aus den Reihen des Stadtrats, für die aber noch die nötigen Infrastrukturen und Finanzierungen fehlen, sehen vor, das ganze Jahr über Regenwasser aufzufangen und »zwischenzulagern«. So könnten im Sommer bei großer Hitze Straßen, Plätze und Bürgersteige besprüht werden, um dadurch für Frische zu sorgen.

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