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Kein Kollateralnutzen

Jörg Kronauer über die Umsturzpolitik der Bundesregierung in Osteuropa

  • Jörg Kronauer
  • Lesedauer: 4 Min.

Gelingt es diesmal? Gut zwei Jahrzehnte lang hat sich die deutsche Außenpolitik immer wieder nach Kräften bemüht, den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko loszuwerden. Nein, nicht der Menschenrechte wegen: Ein Außenminister etwa, der - wie Heiko Maas (SPD) am Mittwoch vergangener Woche - zuerst verständnisvoll mit seinem saudischen Amtskollegen parliert, dann harsche Kritik an der Repression der belarussischen Staatsorgane übt, ist als Vorkämpfer für Humanität und Freiheitsrechte nun wirklich nicht glaubwürdig. In der Tat ging es Berlin, wenn es seit den frühen 2000er Jahren die belarussische Opposition unterstützte, nicht darum, einem repressiven Staatsapparat den Riegel vorzuschieben; das war nur das legitimierende Argument für die interessierte Öffentlichkeit. Was Lukaschenko hierzulande ernsthaft Ärger einbrachte, das war etwas anderes: dass er Belarus nicht der EU angenähert, sondern es 1999 in eine Union mit Russland geführt hatte; dass er das Land in dem von Moskau kontrollierten Militärbündnis OVKS hielt und dass er es 2015 noch zum Mitglied der ebenfalls um Russland zentrierten Eurasischen Wirtschaftsunion machte. Mit der EU-Osterweiterung hat sich Deutschlands Hegemonialsphäre in den 2000er Jahren weit in Richtung Moskau verschoben. Seither wird um die Kontrolle über die noch zwischen der EU und Russland liegenden Länder - man denke nur an den Ukraine-Konflikt - heftig gekämpft.

Die geostrategischen Einflusskämpfe, die Berlin seit Jahren um Osteuropa - auch um Belarus - führt, sind brandgefährlich. Sie zielen darauf ab, Russland, Deutschlands traditionellen Rivalen im Osten, immer weiter in die Defensive zu drängen. Damit heizen sie die Spannungen systematisch an. Worauf das letztlich hinausläuft, das konnte man im Ukraine-Konflikt beobachten. Moskau, vom stetigen aggressiven Vordringen des Westens an seine Grenzen bedroht, verteidigt sich - und das, wenn nötig, mit harten Bandagen; die Krise auf der Krim und die Unterstützung für die Donbass-Republiken zeugen davon. Der Westen wiederum, nicht bereit, den Ausgleich zu suchen, rüstet entlang der russischen Grenze militärisch auf. Eine weitere Zuspitzung des Machtkampfs steigert in letzter Konsequenz die Kriegsgefahr.

Davon abgesehen: Die geostrategischen Einflusskämpfe der deutschen Eliten bringen progressiven Kräften in Osteuropa keinen Kollateralnutzen; sie schaden ihnen. Denn sie überlagern soziale Kämpfe, Proteste gegen staatliche Repression mit ihrer eigenen Dynamik, die entlang außenpolitischer Konfliktlinien polarisiert.

Auch dazu kann man aus dem Ukraine-Konflikt lernen: Aus ihm gingen eben nicht fortschrittliche Milieus, sondern vor allem die antirussische ukrainische Rechte gestärkt hervor, die die Linke nun zusätzlich mit brutaler Straßengewalt bedroht. Ohnehin begibt sich, wer auf einer Welle außenpolitischer Konflikte reiten, aus ihnen Vorteile ziehen will, auf wankenden Boden. Das konnte man 2016 beobachten, als die EU ihre Belarus-Sanktionen trotz empörten Protests der belarussischen Opposition weitgehend einstellte. Der Grund: Präsident Alexander Lukaschenko hatte Moskau die förmliche Anerkennung der Krim-Aufnahme verweigert und vorsichtige Schritte in Richtung Westen getan. Anfang 2020 mündete dies in den ersten Minsk-Besuch eines US-Außenministers in diesem Jahrtausend und in die ersten tiefer angelegten Kriegsübungen der belarussischen Streitkräfte mit einem NATO-Staat, nämlich mit Großbritannien. Das war auch der Bundesregierung mehr wert als Hilfe für die damals schwache Opposition.

Rot ist auch eine Farbe
Die Linke tut sich schwer mit ihrer Positionierung zu Belarus. Klar ist: Die Verteidigung von Despotien kann nicht die Politik der Linken sein.

Was tun? Nun, Solidarität - in diesem Fall mit fortschrittlichen Kräften in Belarus - ist ein großes Wort. Soll sie mehr sein als ein hohles Bekenntnis, eine Demoparole, die man stolz ruft, um sich anschließend ein wenig besser zu fühlen, dann muss sie praktisch werden. Auch in Deutschland kann man etwas tun: Man kann zu verhindern versuchen, dass die sozialen Kämpfe in Belarus zu ihrem Schaden von außenpolitischen Einflusskämpfen überlagert werden; man kann sich mühen, ihnen die falschen Freunde im Westen vom Hals zu halten, ihnen den Rücken freizuhalten. Das erfordert konsequente Opposition gegen die schädliche, brandgefährliche Einfluss- und Umsturzpolitik der Bundesregierung im Osten.

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