Roter Aufbau im Fokus der Ermittler

Nach einer Großrazzia erhält die Hamburger Gruppe viel Solidarität aus dem linken Spektrum

  • Susann Witt-Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Der revolutionäre Rote Aufbau Hamburg und seine Unterstützer bezeichnen die jüngsten Polizeimaßnahmen als »die größten Angriffe der letzten Jahre auf die radikale Linke«. Zumindest waren die Hausdurchsuchungen, die vor zwei Tagen in vier Bundesländern stattfanden, Grundlage dafür, die schwersten Geschütze gegen die antiimperialistische Linke in Stellung zu bringen, die den Strafverfolgern zur Verfügung stehen: Laut dem Hamburger Polizeisprecher Rene Schönhardt läuft gegen die Gruppe seit 2019 ein Ermittlungsverfahren im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß Paragraf 129 StGB. Im richterlichen Beschluss sei sogar von der Bildung einer terroristischen Vereinigung, also von einem Paragraf-129a-Verfahren die Rede, berichtet Halil Simsek, Sprecher des Roten Aufbaus gegenüber »nd«.

Am Montagmorgen waren in Hamburg, vereinzelt auch in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Einsatzkräfte in insgesamt 28 Objekte eingedrungen. Dabei handelte es sich vorwiegend um Privatwohnungen von 22 Personen, die dem Roten Aufbau oder seinem Umfeld zugeordnet werden. Betroffen war aber auch der Kulturladen »Lüttje Lüüd« in dem Hamburger Stadtteil Veddel. An der Razzia mit rund 200 Beamten, darunter auch Angehörige des SEK mit vorgehaltenen Maschinenpistolen, wurden Computer, Speichermedien und Kleidungsstücke beschlagnahmt.

Der Staatsschutz bringt den Roten Aufbau mit Sachbeschädigungen von öffentlichen Verkehrsmitteln, Landfriedensbruch und öffentlichen Aufrufen zu Straftaten in Verbindung. Im Zentrum steht offenbar ein Brandanschlag von 2016 auf zwei Autos von Polizeidirektor Enno Treumann. Dem Leiter der in den sozialen Brennpunkten St. Georg und St. Pauli operierenden »Taskforce Drogen« wurde damals in einem anonymen Bekennerschreiben Racial Profiling vorgeworden, und er wurde für den Tod eines mutmaßlichen Dealers mit verantwortlich gemacht.

In Untersuchungshaft wurde bisher keiner der Tatverdächtigen genommen. Offenbar habe man nichts für das geplante »Konstrukt zur Kriminalisierung« seiner Organisation in der Hand, vermutet Simsek. »Sie schlagen einfach los und hoffen, dass sie irgendetwas Belastendes finden.«

In den vergangenen Jahren stand der Rote Aufbau immer wieder im Fokus von Ermittlungen, vor allem nach den militanten Protesten gegen den G20 Gipfel im Juli 2017. Simsek sieht einen Zusammenhang zu dem noch ausstehenden Rondenbarg-Prozess, einem Mammut-Verfahren gegen voraussichtlich mindestens 70 Personen (darunter auch viele Mitglieder des Roten Aufbaus) unter anderem wegen Angriffen auf Polizisten. Da zudem im Durchsuchungsbeschluss betont werde, dass die Organisation eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung sei, rechnet Simsek nicht damit, dass »die Repressionswelle« abflauen wird. »Sie wissen, dass wir die G20-Protestcamps und einige Aktionen maßgeblich mit organisiert haben, unversöhnlich mit diesem Klassenstaat und nicht integrierbar sind.«

Am Montagabend demonstrierten mehrere Hundert Menschen, begleitet von einem großen Polizeiaufgebot im Schanzenviertel, »gegen die Klassenjustiz« und riefen zum Widerstand auf. »Besonders erfreulich ist für uns, dass dafür trotz politischer Differenzen in verschiedenen Spektren übergreifend mobilisiert wurde«, betont Simsek. Weitere Demonstrationen seien geplant. Zudem habe es zahlreiche Solidaritätserklärungen gegeben, beispielsweise vom Revolutionären Aufbau in der Schweiz.

Unterstützung hat auch der Bundesvorstand der Roten Hilfe zugesagt. »Nur zwei Tage nachdem Neonazis die Stufen des Reichstages erklimmen konnten, ohne nennenswert daran gehindert worden zu sein, haben die Repressionsbehörden nichts Besseres zu tun, als eine aktive linke Gruppe zu kriminalisieren«, heißt es in der Stellungnahme des Vereins, in der die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gefordert wird. Die Hausdurchsuchungen bewertet die Rote Hilfe als »Einschüchterungsversuch gegen die gesamte linke Bewegung«, der darauf ziele, »systemoppositionelle Kräfte mundtot zu machen«.

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