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Erholung im Massensprint

André Greipel wollte bei der Tour mit Erik Zabel gleichziehen - dann stürzte er

  • Tom Mustroph, Privas
  • Lesedauer: 3 Min.

Zu Beginn der Tour de France schien es, als hätten es die Sprinter leicht bei dieser Tour de France. Jedenfalls die, die überhaupt angereist waren. Die Konkurrenz war überschaubar. Viele endschnelle Fahrer hatte gar nicht das Ticket zur Tour gelöst. Deutschlands Ass Pascal Ackermann blieb wegen der Podiumspläne seines Teamkollegen Emanuel Buchmann und Peter Sagans Wunsch nach erneutem Gewinn des Grünen Trikots daheim. Die Niederländer Dylan Groenewegen und Fabio Jacobsen nahmen sich beim Horrorcrash in Katowice gegenseitig aus dem Rennen. Auch der Kolumbianer Fernando Gaviria und der Franzose Arnaud Demare wurden den Klassement-Ambitionen ihrer jeweiligen Kapitäne Thibaut Pinot aus Frankeich und Tadej Pogacar (Slowenien) geopfert. So schien der Weg frei für Oldie André Greipel, endlich seinen zwölften Etappensieg in Frankreich zu holen.

Doch gleich der Auftaktabschnitt - vom Parcours her durchaus für Sprinter geeignet - verwandelte sich für den Rostocker von der erhofften Triumphbühne in ein Höllental. Auf den vom Regen glatten Straßen stürzte er und zog sich dabei Abschürfungen und einen heftigen Schlag aufs Knie zu. Das hatte Folgen. Greipel war an den folgenden Tagen schon froh, wenn er es vom Start bis ins Ziel schaffte, ohne aus dem Zeitlimit zu fallen. »Die letzten Tage waren einfach unangenehm«, sagte er danach dem »nd«. Mit vier Stichen waren die Wunden am Knie genäht. Das Kniegelenk selbst war verdreht. Von den Schmerzen redet Greipel aber nicht. Im Frühjahr steckte er schon einen Schulterbruch klaglos weg. Jetzt schöpft er langsam Optimismus. »Zum Glück ist Radsport ein Sport, bei dem nicht so viel Kraft auf die Gelenke wirkt. In den letzten Tagen konnte ich mich daher auch etwas erholen. Und wir haben ja auch gute Physios«, meinte er. Radsportler sind wahrscheinlich die einzigen Hochleistungssportler, denen es überhaupt in den Sinn kommt, während des Wettkampfs auf Genesung zu hoffen. Dem 38-Jährigen hilft dabei sicher auch die Erfahrung aus mittlerweile 15 Profijahren.

Am Dienstag, nach der Bergankunft in Orcieres-Merlette, sah man erstmals bei dieser Tour in den Augen des Routiniers ein Lächeln; mehr an Gemütsverfassung kann man wegen der Maskenpflicht gleich nach Zielleinlauf ohnehin nicht erkennen. »Heute ist der erste Tag, an dem ich wieder ein normaler Rennfahrer bin«, sagte Greipel. Von Tag zu Tag hofft er jetzt, dass es besser wird und er sich auch wieder ins Getümmel für die Massensprints werfen kann, von denen er bei der Tour 2015 gleich vier gewann.

Für die diesjährige 5. Etappe zwischen Gap und Pricas am Mittwoch war er dennoch skeptisch geblieben. »Die Etappe ist nicht einfach. Es wird vermutlich einen Massensprint geben. Ich weiß aber nicht, ob es etwas für einen Sprinter meiner Gewichtsklasse ist«, meinte Greipel beim Blick aufs hügelige Profil der letzten Kilometer.

Sprinter seiner Gewichtsklasse, also reine Kraftpakete, haben es dieses Jahr wahrlich schwer. Es gibt kaum noch klassische Massensprintetappen. Die erste Woche, jahrelang eine Art Einrollwoche mit Flachetappen am Fließband, hat sich aufgrund der Fernsehanforderungen verändert. Mehr Drama: Für spannendere Geschehnisse bauten die Streckenplaner mehr Berge ein. Parallel dazu verändern sich auch die Fahrertypen: Die Kletterer legen bei der Spurtfähigkeit zu, wie der famose Antritt des Slowenen Primoz Roglic am Dienstag bewies. Andererseits werden die Sprinter immer bergfester. Caleb Ewan etwa, australischer Sprintstern der neuen Generation und Sieger der dritten Etappe, ist auch auf ansteigenden Geraden schnell. Die Punktewertung, einst Tummelplatz für Massensprinter, ist durch den Slowaken Peter Sagan eher zur Wertung für Allrounder geworden.

Greipel hat also doch nicht so viele Gelegenheiten wie zunächst erhofft, seinen zwölften Etappensieg zu holen und damit auf eine Stufe mit Erik Zabel zu gelangen. Und wenn es bei den wenigen Chancen vorher nicht klappt, muss er vielleicht sogar bis zur Abschlussetappe in Paris hoffen. Immerhin hat er dort aber schon zweimal gewonnen.

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