»Wem gehört die Stadt?« dreht am Rad
Demo gegen Verdrängung findet am Samstag in Berlin statt - aber ohne Straßentanz
»Wem gehört die Stadt?« Unter diesem Motto soll am Samstag in Berlin wieder lautstark gegen Gentrifizierung in den Innenstadtbezirken demonstriert werden. Alternative Kulturräume sollen erhalten bleiben. War der Protestzug in den vergangenen Jahren als Tanzdemo organisiert, bei der sich Tausende Menschen bunt und kreativ in den Straßen versammelt und vor Musikwagen gefeiert hatten, setzen die Veranstalter in diesem Jahr auf ein dezentrales Konzept mit Angeboten für draußen und drinnen. »So wichtig es ist, auch in diesen Zeiten ein starkes Zeichen gegen die soziale Spaltung in der Hauptstadt zu setzen, so wenig denkbar ist es derzeit auch, die Tanzdemo im gewohnten Rahmen stattfinden zu lassen«, sagt Maximilian Schirmer vom Kollektiv Kirsch, das die Demo maßgeblich organisiert. »In der Corona-Pandemie können wir einfach nicht 10 000 Leute auf die Straße bringen, das wäre verantwortungslos und unsolidarisch«, sagt der Aktivist, der Linke-Mitglied ist und für die Partei in der Bezirksverordnetenversammlung Pankow sitzt.
Straßendemo und Online-Protest
Um den Mindestabstand zwischen den Teilnehmern zu gewährleisten, wollen die Organisatoren stattdessen am Samstag von drei Standorten aus mit dem Fahrrad zur Rundfahrt aufbrechen. Los geht der Fahrradkorso jeweils um 15 Uhr am Mariannenplatz in Kreuzberg, am Boxhagener Platz in Friedrichshain sowie am U-Bahnhof Eberswalder Straße in Prenzlauer Berg. »Durch das Fahrrad wollen wir sicherstellen, dass der Mindestabstand zwischen den Teilnehmern gewährleistet wird«, sagt Mitorganisator Schirmer. Auch einen Mund-Nase-Schutz sollen die Radler mit sich führen. Zusammen mit der Polizei habe man sich auf ein Hygienekonzept verständigt, um die Demonstration trotz des geltenden Infektionsschutzes durchführen zu können, wie der Veranstalter erläutert. »Solidarisch sein, heißt dieses Jahr auch anders feiern«, fordert Schirmer.
Wer die menschliche Nähe auf der Straße fürchtet, kann sich am Samstag trotzdem am Protest für das Recht auf Stadt beteiligen. Parallel zur Fahrraddemo soll es online drei Livestreams mit Musik-Sets aus Clubs geben. »Mit den Livestreams wollen wir einerseits Kulturräume wie den Club am Humboldthain unterstützen, die durch die Krise akut von der Schließung bedroht sind und andererseits noch mehr Menschen mit unserer politischen Message erreichen«, sagt Schirmer.
Zwischen den Songs sollen auch immer wieder Redebeiträge von Demounterstützern wie etwa dem Berliner Landesverband der Linken oder dem Volksbegehren »Deutsche Wohnen & Co enteignen« abgespielt werden. Die Livestreams sollen auch auf den Fahrraddemos zu hören sein. Dafür sorgen mobile Soundbikes, die den Zug anführen und die Teilnehmer mit Bässen und Inhalten versorgen. »Unser Ansatz war es schon immer, Spaß mit Politik zu verbinden«, sagt Schirmer. Mit dem besonderen Demonstrationskonzept in diesem Jahr wolle man Druck auf die Politik machen. »Wir sehen, dass in der Berliner Wohnungspolitik inzwischen gute Ansätze gibt, zum Beispiel den Mietendeckel«, erläutert der 30-Jährige. »Dass wir daran ansetzen und Berlin als einen Ort erhalten, an dem es nicht auf Herkunft, Einkommen oder Geschlecht ankommt, hängt neben dem politischen Willen in der Regierung auch an jedem einzelnen von uns«, so der Aktivist.
Für den Erhalt der Kulturszene
Neben dem Engagement für eine soziale Mieten- und Wohnungspolitik und der Unterstützung für das Volksbegehren zur Enteignung großer Immobilienkonzerne steht in diesem Jahr die Situation von Künstlern und Kreativen im Mittelpunkt der Tanzdemo. Diese seien besonders hart von der Corona-Pandemie und den Maßnahmen zur Eindämmung des Virus betroffen. »Zwar hat Berlin schnell auf die Krise reagiert und Soforthilfen veranlasst, aber das ist nicht genug«, sagt Veranstalter Schirmer. Er lobt ausdrücklich Kultursenator Klaus Lederer (Linke) für seinen Einsatz für die Club- und Kulturszene. »Von Seiten der Regierung sehe ich einen guten Willen, die einzigartige kulturelle Mischung in Berlin zu erhalten.« Doch das allein reiche eben nicht aus. Auch öffentliches Geld sei endlich.
»Wenn wir wollen, dass es auch nach Corona in Berlin noch eine lebendige Kulturszene gibt, dann müssen wir jetzt alle laut und aktiv werden«, forderte er. Praktisch bedeute Solidarität aus seiner Sicht zum Beispiel, für bedrohte Einrichtungen zu spenden oder Gutscheine zu kaufen, um die Betreiber zu unterstützen.
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