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»Dem Riff eine Chance geben«
Meeresbiologin Carne über Belizes Unterwasserwelt in Coronazeiten
Frau Carne, Belize hat das zweitgrößte Korallenriff der Welt. Sie haben dort eine Organisation gegründet, um das Riff zu schützen. Warum ist das so wichtig?
Korallenriffe sind Naturwunder - und die Menschen profitieren in hohem Maße von ihnen. Das Riff hier schützt die Küste vor Überschwemmungen, es dient dem Tourismus und der Fischerei.
Der Schutz der Korallen ist also auch ökonomisch wichtig?
Alleine die drei gerade genannten Funktionen des Riffs summieren sich auf einen Wert von etwa 500 Millionen Dollar pro Jahr. Abgesehen davon sind die Korallen von unglaublicher Schönheit. Zudem trägt das Korallenriff auch zur Artenvielfalt bei. Es gibt sowieso nicht mehr viele wildlebende Tiere auf dieser Welt, im Laufe meiner Lebenszeit haben wir die Artenvielfalt auf diesem Planeten um die Hälfte reduziert.
War der Corona-Lockdown für den Naturschutz ein Segen, schließlich hat dies den Tourismus quasi zum Erliegen gebracht?
Dazu gibt es noch keine gesicherten Daten, aber vermutlich wurden weniger Abwasser und Müll ins Meer geleitet und es gelangte auch weniger Sonnencreme hinein. Touristen gab es hier jedenfalls keine, die Grenzen waren dicht. Das Problem ist aber, dass die meisten Menschen hier ihr Geld mit dem Tourismus verdienen. Wenn man das wegnimmt, bleibt ihnen gar nichts mehr. Aus diesem Grund kann ich nicht generell gegen den Tourismus sein. Aber die Frage ist, wie man all das nachhaltiger gestalten könnte.
Wieso sind die Korallen so wichtig?
Die Korallenriffe sind ein zentrales Ökosystem in den Ozeanen, die wiederum unser Überleben sichern. Das Phytoplankton in den Meeren etwa produziert mehr Sauerstoff als die Bäume auf dieser Erde - doch all das ist in Gefahr. Es gibt stärkere Stürme und die Meerestemperatur steigt aufgrund des Klimawandels immer weiter an. Im Oktober 2019 war das Meer hier in Belize 3 bis 4 Grad wärmer als in den letzten Jahren - das ist extrem viel und führt direkt zur Korallenbleiche.
Was genau ist das?
Korallen sind Tiere, die symbiotisch mit Pflanzen leben. Wenn die Korallen ausbleichen, sterben die Algen im Inneren ab. Einige Korallen können sich zwar davon erholen, sie sind dann aber anfälliger für Krankheiten und ihre Wachstumsrate ist geringer. Die erste Korallenbleiche in Belize wurde 1995 aufgezeichnet, ab dann gab es fast jedes Jahr eine. Die schlimmste Korallenbleiche in Belize war 2019, die zweitschlimmste 2017.
Und mit Ihrer NGO versuchen Sie, das Sterben der Korallen zu stoppen?
Nein, wir können die Meerestemperatur leider nicht verringern - aber in kleinem Maße versuchen wir, das Riff wieder aufzuforsten, indem wir kleine Korallenstücke an Orte verpflanzen, an denen sie vorher verschwunden sind. Dort sollen die Korallen dann anwachsen und sich vermehren.
Und wie erfolgreich sind Sie damit?
Im Jahr 2006 habe ich die ersten Korallenstücke verpflanzt - über 80 % dieser Korallen leben heute noch. Das ist phänomenal. Inzwischen konnten wir viele Daten sammeln - und wir sehen, dass unsere Methoden funktionieren. Das konnten wir zum Beispiel im Nationalpark Laughing Bird Caye zeigen: Dort deckten die Korallen einst nur 6 Prozent der Fläche ab, heute sind es an manchen Stellen über 50 Prozent.
Was bedroht die Korallen außer dem Klimawandel und den Hurrikanen noch?
Die Gefahr umfasst auch die Überfischung - dadurch wurde die Nahrungskette völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. Besonders die Korallen, mit denen wir arbeiten, werden von Schnecken und Würmern gefressen. Normalerweise werden diese Tiere, die die Korallen fressen, von den Tieren gefressen, die wir essen. Wenn wir jedoch bestimmte Arten beinahe ausrotten, bringt das das gesamte Ökosystem aus dem Gleichgewicht.
Ist die Verschmutzung des Meeres ein großes Problem für das Korallenriff?
Der Plastikmüll und das ungefilterte Abwasser bedrohen das gesamte Meeresleben. Daran hat auch der Tourismus einen großen Anteil - vor allem das Marketing für den Massentourismus setzt hier in der Karibik einzig und allein auf einen tropischen Spot, an dem man seine Getränke direkt am Strand serviert bekommt. Nichts anderes zählt.
Wie würde nachhaltiger Tourismus denn aussehen?
Die Tourismusbranche sollte unbedingt die Umweltbelastungen einpreisen müssen, die von ihr verursacht werden. Denn wenn die Natur zerstört wird, wird auch der Tourismus verschwinden, weil es nichts mehr zu sehen gibt. Wir brauchen also weniger Touristen, die bereit sind mehr zu bezahlen - und zugleich sollten wir darüber nachdenken, welche anderen Lebensgrundlagen uns unabhängiger vom Tourismus machen.
Und wie sollte sich ein verantwortungsbewusster Tourist verhalten?
Wenn man in die Karibik oder anderswo ans Meer fährt, sollte man keine Sonnencreme benutzen, sondern lange Kleidung - auch im Wasser. Eine andere Sache ist, Einwegplastik generell zu vermeiden, zum Beispiel durch Nachfüllen einer Wasserflasche. Es ist zudem wichtig, die saisonalen Vorschriften für den Verzehr von Meeresfrüchten einzuhalten. Oder noch besser: Essen Sie nur Fische, die in Ihrer Region als nachhaltig ausgewiesen sind. Belesen Sie sich, bevor Sie an einen Ort fahren. Ich bin überrascht, wie viele Leute hierher kommen, ohne etwas über den Ort zu wissen. Eine andere Sache ist das eigene Konsumverhalten: Konsumieren Sie nur lokale Produkte - das ist ökologisch besser, und auch unter sozialen Gesichtspunkten ist es vorteilhaft, wenn man sein Geld in den lokalen Communities lässt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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