Rumänischer Machtpoker

Das bürgerliche Lager übersteht den sozialdemokratischen Angriff

  • Silviu Mihai
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf den heißen Sommer mit viel Spaß an der Schwarzmeerküste und wenig Rücksicht auf die Corona-Schutzmaßnahmen folgt in Rumänien ein ebenso heißer politischer Herbst. Am Montag scheiterte im Parlament der Versuch eines Misstrauensvotums gegen die Regierung. Und schon am 27. September stehen zunächst die Kommunalwahlen an, die vor allem in Kleinstädten und ländlichen Gebieten den Ton für die nächsten vier Jahre angeben. Und gleich danach fängt der Wahlkampf für die Parlamentswahl an. Diese wird aller Wahrscheinlichkeit nach am 6. Dezember stattfinden, wie die Regierung am vergangenen Donnerstag verkündete.

Umfragen zufolge hat das bürgerliche Lager um Staatspräsident Klaus Johannis sehr gute Chancen, beide Abstimmungen zu gewinnen. Die Nationalliberale Partei (PNL) von Ministerpräsident Ludovic Orban bevorzugen im Moment rund 33 Prozent der Befragten, während 18 Prozent das neue basisdemokratische Bündnis USR-PLUS wählen würden. Dieses gilt in Bukarest und in den Großstädten Siebenbürgens, sowie bei engagierten Jugendlichen als Favorit, vertritt allerdings neben einigen umweltfreundlichen Positionen auf der kommunalen Ebene eine eher bürgerlich-liberale Agenda. Da die Allianz kein Geheimnis daraus macht, dass sie mit der PNL koalieren wird, gibt die politische Arithmetik den beiden Partnern genug Spielraum, um von einem klaren Sieg auszugehen.

Dieses Kalkül muss sich natürlich erst bei den Kommunalwahlen bestätigen. In zahlreichen Gemeinden stellen PNL und USR-PLUS gemeinsame Kandidaturen zur Wahl auf, um sicherzustellen, dass die Sozialdemokratische Partei (PSD) nicht schon wieder von der Stimmenzerstreuung im bürgerlichen Lager profitiert, wie es 2016 der Fall war. Bukarest ging zum Beispiel vor vier Jahren an die Opposition, weil die PNL sich damals weigerte, den prominenten USR-Kandidaten Nicusor Dan zu unterstützen. Als langjähriger Aktivist für eine kultur- und fahrradfreundlichere Hauptstadt versucht Dan jetzt wieder, Oberbürgermeister zu werden, diesmal mit ziemlich guten Chancen.

Auch in kleineren Städten, die bisher als PSD-Hochburgen galten, will das Bündnis USR-PLUS mit Kampfkandidaturen von jungen, zivilgesellschaftsnahen Figuren den Durchbruch schaffen. Diese präsentieren sich oft als saubere und kompetente Alternativen zum kommunalpolitischen Establishment, das gemeinhin als Herd der Korruption und Vetternwirtschaft bekannt ist. Doch obwohl das bürgerliche Lager fleißig daran arbeitet, dieses unschöne Image weiter hauptsächlich mit der PSD zu assoziieren, bleibt die hartnäckige Realität vor Ort eine völlig andere. In der nordöstlichen Metropole Iasi etwa wechselte der amtierende Bürgermeister Mihai Chirica einfach von den Sozialdemokraten zu den Liberalen und wird aller Wahrscheinlichkeit nach Ende September unter der neuen politischen Fahne die Wahl gewinnen. Seine Gegnerin, die jetzt für die PSD kandidiert, war früher in der PNL. Und das ist nur das prominenteste Beispiel für ein Phänomen, das in ländlichen Gebieten seit Jahren gang und gäbe ist.

Mehr noch: Selbst die hauchdünne Parlamentsmehrheit, die der PNL das Regieren ermöglicht, ist mitnichten das Ergebnis einer klaren Option der Wählerschaft. Denn die letzte Parlamentswahl 2016 gewann ja nicht das bürgerliche Lager, sondern die PSD. Weil diese aber wegen zahlreicher Korruptionsskandale immer mehr an Popularität verlor, weil sogar ihr früherer Vorsitzender Liviu Dragnea rechtskräftig verurteilt wurde und weil in Bukarest und anderen Großstädten die Proteste immer lauter wurden, orientierten sich rund ein Dutzend Abgeordnete einfach um und boten der damaligen Opposition ihre Stimmen. So konnte PNL-Chef Ludovic Orban im vergangenen November durch einen Misstrauensantrag die PSD-Regierung von Viorica Dăncilă stürzen und selber Ministerpräsident werden.

Dementsprechend ist im bürgerlichen Lager, zumindest bis zur nächsten Parlamentswahl, äußerste Vorsicht geboten. Zum einen könnte jeder Angriff der PSD fatal sein, zumal das Krisenmanagement von Ludovic Orban seit Anfang der Coronavirus-Pandemie alles andere als überzeugend ist. Tatsächlich versuchten die Sozialdemokraten Anfang der Woche, mit dem Argument, dass das rumänische Gesundheitssystem völlig überfordert ist und die Wirtschaft den Bach runter geht, selber einen Misstrauensantrag zu stellen. Die PNL musste ihre Abgeordneten dazu zwingen, die Parlamentssitzung zu verlassen, um sicherzustellen, dass bei der geheimen Abstimmung über den Antrag keine Überraschungen herauskommen. Und weil auch vier PSD-Abgeordnete plötzlich abwesend waren, gab die Opposition schließlich auf.

Zum anderen stellen solche Seiltanznummern, und allgemein die häufigen Fahnenwechsel von Abgeordneten und Kommunalpolitikern, für das Regierungslager ein massives Imageproblem dar, vor allem für die USR-PLUS, die sich gerne Integrität auf die eigene Fahne schreibt und bei ihrer jungen, enthusiastischen Stammwählerschaft in der Tat Punkte verliert, wenn sie sich die Hände zu schmutzig macht. Vor diesem Hintergrund wäre es nicht überraschend, wenn die Wahlbeteiligung im Dezember doch geringer ausfällt, als vom bürgerlichen Lager erhofft.

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