Dürfen Pflegeheime Bewohner kündigen?
Fragen & Antworten rund um die Pflege
In jedem Fall ist zu berücksichtigen, dass ein Pflegebedürftiger besonderen Schutz genießt und seine Versorgung möglichst dauerhaft zu sichern ist. »Eine Kündigung muss daher immer schriftlich und mit Begründung erfolgen«, sagt Claudia Calero von der bundesweiten Compass-Pflegeberatung. Als wichtige Gründe nennt das WBVG unter anderen folgende:
1. Änderungen, die das Heim betreffen: Solch eine Änderung ist beispielsweise gegeben, wenn Wohnraum nicht mehr nutzbar ist oder eine Insolvenz ansteht. Hier muss die Kündigung bis zum dritten Werktag eines Monats eingegangen sein. Wirksam wird sie zum Ende des kommenden Monats, so dass knapp acht Wochen Zeit ist, sich ein neues Heim zu suchen.
2. Änderungen, die die Pflege betreffen: Ein Kündigungsgrund ist vorhanden, wenn bereits im Vertrag bestimmte Leistungen ausgeschlossen wurden, beispielsweise das Versorgen von Wachkoma-Patienten oder wenn ein Bewohner einen höheren Pflegegrad erhält und die notwendigen Maßnahmen verweigert.
3. Zahlungsverzug: Wer in finanzielle Schwierigkeiten gerät, sollte rechtzeitig das Sozialamt einschalten. Ist der Bewohner mit seinem Eigenbeitrag im Rückstand, muss ihm das Heim bestimmte Fristen gewähren, innerhalb derer er die Schulden tilgen kann.
4. Pflichtverletzung: Tritt ein Bewohner wiederholt beleidigend, aggressiv oder gar tätlich auf und ist dies nicht krankheitsbedingt, kann ihm mit der Begründung einer »schuldhaft gröblichen Pflichtverletzung« gekündigt werden.
Es ist ratsam, sich Hilfe zu holen, bevor man einen Vertrag unterschreibt oder bevor ein Streit eskaliert. Alle gesetzlich und privat Versicherten können dies beispielsweise unter der kostenfreien Beratungshotline (0800) 10 18 800 tun. Auch Sozialverbände, Pflegekassen und die Verbraucherzentralen bieten Unterstützung an.
Welche Fragen sind unbedingt zu stellen?
Steht die Pflege eines Familienmitgliedes ins Haus, benötigt man vielerlei Informationen. Welche Fragen sollten pflegende Angehörige stellen?
Wird die Hilfe wegen altersbedingter Einschränkungen benötigt oder wegen einer Erkrankung? Welche Auswirkungen hat letzteres? Auf welche zeitliche Perspektive muss man sich einstellen? Was besagt die ärztliche Diagnose? »Bitten Sie Ihren pflegebedürftigen Angehörigen, den Arzt von seiner Schweigepflicht zu entbinden, damit er Ihnen Auskunft geben kann«, rät Claudia Calero. So ist es wichtig zu wissen, ob eine ständige Betreuung vonnöten ist oder ob spezielle pflegerische Kenntnisse verlangt werden. Selbst, wenn es »nur« ums Duschen oder Einkaufen geht, muss man entscheiden, ob man sich dies körperlich zutraut.
Auch nach dem voraussichtlichen Verlauf der Erkrankung sollte man sich erkundigen. Kann sich der Zustand wieder verbessern oder nur verschlechtern? Ist mit Schüben zu rechnen oder mit allmählicher Veränderung? Lassen eher die körperlichen oder eher die geistigen Kräfte nach? Welche Auswirkungen hätte dies?
Wer sich für die häusliche Pflege eines Angehörigen entscheidet, sollte von Anfang an auch an sich persönlich denken. Hierfür ist es ratsam, sich eine Art Netzwerk an Unterstützern aufzubauen und sich Auszeiten zu gönnen. Welches Familienmitglied kann zu welcher Zeit die Pflege übernehmen? Gibt es Nachbarn oder Bekannte, die kurzzeitig einspringen können? Finden sich Gleichgesinnte, beispielsweise in einer Selbsthilfegruppe? Was soll ein ambulanter Dienst leisten?
Welche Möglichkeiten der Entlastung gibt es?
Einen Angehörigen zu Hause zu pflegen, kostet physische wie psychische Kraft. Meist ist es nur eine Frage der Zeit, wann der Pflegende an seine Grenzen stößt. Ab dem Pflegegrad 2 ist es möglich, mit finanzieller Unterstützung der Pflegeversicherung die Betreuung zu splitten. Einen Teil verrichtet der Angehörige, einen anderen der ambulante Dienst. Dieser kann beispielsweise das Duschen, Baden oder Haare waschen übernehmen.
Es gibt hier auch sogenannte Kombi-Leistungen, bei denen das Pflegegeld für den Angehörigen und die Sachleistungen für den ambulanten Dienst miteinander kombiniert werden. Die Pflegeversicherung vergütet die Leistungen prozentual anteilig. Beispiel in Pflegegrad 2: Der ambulante Dienst berechnet für seine Arbeit 413,40 Euro. Das sind 60 Prozent der zur Verfügung stehenden 689 Euro an Sachleistungen. Der Pflegebedürftige erhält dann 40 Prozent des Pflegegeldes, also 126,40 Euro von 316 Euro.
Entlastung lässt sich auch mit Hilfe des Entlastungsbetrages von monatlich 125 Euro organisieren. Diese Summe bleibt in der Berechnung der Kombi-Leistungen unberücksichtigt. Sie kann für hauswirtschaftliche Unterstützung wie Fenster putzen, für die Begleitung zum Arzt oder zum Einkaufen oder auch für die zeitweise Betreuung bei einer demenziellen Erkrankung verwendet werden.
Des Weiteren kann der Pflegebedürftige einige Stunden oder Tage in der Obhut einer Tagespflege verbringen. Dort wird er pflegerisch versorgt, findet Kontakt zu anderen Menschen und kann Angebote zum Kartenspielen oder Spazierengehen nutzen. Für die Tagespflege stehen zusätzliche finanzielle Mittel in Höhe der Sachleistungen des jeweiligen Pflegegrades zur Verfügung, Beim Pflegerad 2 sind das 689 Euro. Welche regionalen Angebote es gibt, wissen die Pflegeberater und die Pflegestützpunkte.
Was umfasst die regelmäßige Beratung?
Die Hälfte aller Pflegebedürftigen wird zu Hause allein von Angehörigen oder Freunden versorgt, ohne dass ein ambulanter Dienst einbezogen ist. Sie alle dürfen es laut Sozialgesetzbuch XI nicht versäumen, regelmäßig eine Beratung zu Hause zu beantragen. Bei den Pflegegraden 2 und 3 muss dies halbjährlich, bei den Graden 4 und 5 vierteljährlich erfolgen.
Die Beratung soll helfen, die Pflege möglichst passend zu gestalten. So werden Hinweise gegeben, welche Leistungen man in welchen Situationen zusätzlich in Anspruch nehmen kann. So hilft die Verhinderungspflege, wenn der Angehörige wegen eigener Termine oder bei einer Erkrankung nicht zur Verfügung stehen und eine Ersatzpflegeperson gefunden und finanziert werden muss.
Auch die Rahmenbedingungen der Kurzzeitpflege, wenn der Pflegebedürftige beispielsweise wegen eines barrierefreien Wohnungsumbaus vorübergehend nur aushäusig betreut werden kann, können hierbei besprochen werden.
Bei dem Gespräch sollten die pflegenden Angehörigen unbedingt dabei sein. Denn es dient dazu, sich über Unterstützungsmöglichkeiten für sie selbst zu informieren. Das können Pflegekurse sein oder eine Hilfe im Haushalt. Für Letztere stehen 125 Euro monatlich zusätzlich zur Verfügung, ohne dass das Pflegegeld gekürzt wird.
In der Regel erinnert die Pflegeversicherung an den Termin. Die Beratung muss der Pflegebedürftige oder sein bevollmächtigter Betreuer selbst anfordern. Gesetzlich Versicherte wenden sich an die Pflegekasse des Pflegebedürftigen, privat Versicherte bundeseinheitlich an die Compass Pflegeberatung unter (0800) 10 18 800.
Selbst, wenn man aktuell keinen Gesprächsbedarf sieht, muss man den Termin vereinbaren. Ansonsten besteht das Risiko, dass das Pflegegeld gekürzt oder gestrichen wird. Die Beratungsgespräche sind immer kostenlos und anbieterneutral. bep/nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.