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Räumungstango geht weiter
Linke Projekte rufen stadtweit zu vielfältigen Aktionen für ihren Erhalt auf
Ein Trauermonat war es nicht: Kaum zu glauben, dass erst vier Wochen vergangen sind, seit in Neukölln die Szenekneipe Syndikat von einem Großaufgebot der Berliner Polizei geräumt wurde. Aus diesem Anlass versammelten sich am Montagabend etwa 150 Menschen vor der leerstehenden Kneipe in der Weisestraße zu einer Videokundgebung. Temporeiche Bilder von den Ereignissen rund um die Räumung am 7. August wechselten sich dort mit engagierten Redebeiträgen ab. »Die Reaktionen nach der Räumung waren ermutigend«, sagt ein Sprecher des Kneipenkollektivs. Mehrmals wöchentlich sitzen Menschen als Gruppe vor dem leerstehenden Syndikat und nutzen den Raum davor im Sinne der Kneipe. Im Gebäude selbst sind derzeit Security-Mitarbeiter untergebracht. Einige seien durch aggressive und sexistische Bemerkungen aufgefallen, heißt es. Die Stimmung sei insgesamt »repressiv«, sagt der Syndikat-Vertreter – es scheine die Strategie des rot-rot-grünen Senats zu sein, ganze Kieze unter Generalverdacht stellen zu wollen.
Die kämpferischen Parolen der Anwesenden, die zwischendrin gerufen werden, hallen seltsam hohl durch die ansonsten menschenleere Straße. Eine uralte, gebeugte Flaschensammlerin läuft durchs Bild. Man spürt den Frust angesichts der Ereignisse, aber auch Wut und ein Gefühl von Solidarität. Dennoch soll die Kundgebung keine reine Gedenkveranstaltung sein, denn nach wie vor ist eine beachtliche Anzahl linker Projekte akut bedroht. So wurde das Räumungsurteil gegen das queerfeministische Hausprojekt Liebig 34 erst kürzlich bestätigt. Seit Montag läuft deshalb auch eine »feministischen Aktionswoche«, deren Programm mit mehreren Veranstaltungen pro Tag dafür Aufmerksamkeit schaffen will, dass der Räumungstango noch lange nicht vorbei ist.
Am Freitag wird es auch eine Musikkundgebung vor dem Kreuzberger Kneipenkollektiv Meuterei geben, dem bereits im Mai 2019 gekündigt wurde. Am Samstagabend soll am Wassertorplatz in Kreuzberg eine Demonstration starten, die vom Bündnis der »Interkiezionale« organisiert wird, in dem sich Unterstützer*innen mehrerer bedrohter Projekte zusammengeschlossen haben.
Eine Sprecherin des Jugendzentrums Potse wies darauf hin, dass sie ihr Zentrum noch immer besetzt halten. Um ihren Anspruch auf unkommerzielle Jugendkultur zu unterstreichen, hätten sie seit April drei Häuser besetzt, die allesamt von der Polizei geräumt wurden. Am kommenden Montag, 14. September wird ihr Einspruch gegen das Räumungsurteil vor Gericht verhandelt, aus diesem Anlass wird es eine Kundgebung vor der Potse geben.
Am selben Tag übrigens, wie der Köpi-Wagenplatz unerwünschten Besuch befürchtet: Als ob nicht schon genug Räumungen anstehen, haben nämlich nun auch die Wagenplatz-Bewohner*innen eine Aufforderung erhalten, das Gelände in Mitte zu verlassen.
Bereits im Januar hatte die Kampagne »Kein Haus weniger!« einen Appell an den Berliner Senat gerichtet: »Will dieser in die Geschichte eingehen als der Senat, in dessen Amtszeit unkommerzielle Projekte ihre Räume verlieren und die Stadt zum Gewerbegebiet für Kapitalinteressen wird?«
Es sieht derzeit ganz danach aus, doch die linke Szene und die Anhänger*innen der verbliebenen selbstorganisierten Freiräume wollen nicht aufgeben: »Diese Räumung war die letzte«, verkündigte ein Unterstützer des Syndikats am Montag: »Weitere wird es nicht geben.« Um das zu unterstreichen, trägt die Demonstration am Samstag das Motto »Freiräume verteidigen, in der Offensive bleiben«. Ein Teilnehmer der Videokundgebung meint, dass viele Menschen durch die Ereignisse der letzten Wochen und Monate motiviert sein würden, dorthin zu gehen.
Die Liebig34-Aktionswoche endet am 13. September mit einer Kundgebung zum 30. Jahrestag der Besetzung der Mainzer Straße. »Wir werden demonstrieren, dass wir nicht nur immer noch da sind, sondern dass mensch uns auch nicht los wird«, heißt es im Aufruf.
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