Senat bleibt bei Ballungsraumzulage

Zuschuss für Beamte und Landesbeschäftigte könnte zum Ausschluss aus Tarifgemeinschaft der Länder führen

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Dem Land Berlin droht der erneute Ausschluss aus dem Arbeitgeberverband, der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Diese hatte sich bereits im Juli mehrheitlich gegen die außertarifliche Zahlung, die Berlin mit der sogenannten Ballungsraumzulage plant, ausgesprochen. Berlin drohen sogar Sanktionen. Die Zulage oder wahlweise ein ÖPNV-Ticket für Berlin sollen Beamt*innen im Landesdienst bis zur Besoldungsstufe A13 sowie Tarifbeschäftigte bis zur Entgeltgruppe E13 erhalten.

»Alleingänge könnten die Einheitlichkeit der TdL gefährden«, sagte eine Sprecherin des niedersächsischen Finanzministeriums gegenüber »nd«. Um das zu vermeiden, könnte so ein Alleingang »zu einem Ausschluss aus der Tarifgemeinschaft« führen. Der niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) ist aktuell Vorsitzender der TdL. »Die Lage ist sehr, sehr ernst«, hieß es aus einem anderen Landesfinanzministerium, nachdem die Finanzministerkonferenz in der vergangenen Woche getagt und ein vertrauliches Meinungsbild erstellt hatte.

Berlin war im Jahr 1994 schon einmal aus der Tarifgemeinschaft der Länder geflogen. Damals hatte der Senat beschlossen, die West-Gehälter auch im Osten der Stadt zu zahlen. Erst seit 2013 ist Berlin wieder Mitglied der Tarifgemeinschaft der Länder.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hatte Ende August erneut Verhandlungsbereitschaft zur Berlinzulage signalisiert. Ihre Botschaft: Wenn über mehr Geld für die Beschäftigten gesprochen wird, muss das auch tariflich abgesichert werden. Sonst drohe, dass die Politik in Zeiten knapper Kassen die Zulage einfach wieder einkassiert.

Für Verdi ist keine Frage, dass die Zulage sinnvoll wäre. »Berlin hat ein erhebliches Fachkräfteproblem, da in Bundeseinrichtungen und in den Brandenburger Umlandgemeinden besser bezahlt wird«, sagte Astrid Westhoff, tarifpolitische Koordinatorin für den öffentlichen Dienst im Verdi-Landesbezirk. Überdies seien die Arbeitsbedingungen in den Verwaltungen schlecht. »Das Landesbeschäftigte beispielsweise zu Beginn der Pandemie ins Home-Office geschickt wurden und ihnen nicht einmal ein Computer mitgegeben wurde, ist doch eine Katastrophe.« Die Menschen rechnen seit Monaten mit der Zulage. Sie jetzt nicht zu zahlen, wäre ein immenser Vertrauensschaden.

Westhoff kritisiert überdies den Umgang mit den Gewerkschaften. So seien Gespräche unterblieben und Information über die Sanktionsdrohung der TdL nicht weitergeleitet worden. »Das Beste wäre, der Senat würde beide Versprechen einhalten, er hat beides zugesagt«, sagt Westhoff weiter. Gemeint ist die Zulage und der Verbleib in der TdL. Denn letzteres sei ebenso wichtig wie die 150 Euro mehr im Monat. Es geht der Gewerkschafterin um den Flächentarifvertrag, der die Arbeitsbedingungen regelt und für vergleichbare Arbeitsbedingungen in den Bundesländern sorgt.

In den Koalitionsfraktionen von Rot-Rot-Grün in Berlin ist man der gleichen Meinung. »Das Versprechen haben wir den Beschäftigten gegeben, das müssen wir jetzt auch halten«, sagte der haushalts- und finanzpolitische Sprecher der Grünenfraktion im Abgeordnetenhaus, Daniel Wesener. Die Finanzverwaltung sei in der Verantwortung, den neuen Beschluss in der TdL zu vertreten.

»Wir reden hier über ein vom Parlament beschlossenes Gesetz«, betont Jörg Stroedter, Vize-Vorsitzender der SPD-Fraktion. Für eine Änderung werde »niemand in der SPD-Fraktion die Hand heben«. Dass Berlin aus der TdL fliegt, glaubt Stroedter nicht, er sieht stattdessen mehrere Möglichkeiten: Die Tarifgemeinschaft könnte die Zulage einfach akzeptieren oder die anderen Länder könnten Berlin wegen des Vorgangs offiziell rügen. Man müsse auf die besondere Struktur in Berlin gucken, so Stroedter weiter. Die von der Dienstleistungs-, Gastro- und Veranstaltungsbranche dominierte Wirtschaft sei darauf angewiesen, »dass Menschen von anderen Menschen etwas kaufen, und dafür brauchen sie Geld«. Für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die etliche Sparrunden in den letzten Jahren durchlitten haben, sei der Zuschlag überdies äußerst wichtig. »Wir müssen jetzt die Kaufkraft stärken und so die Konjunktur anzukurbeln.« Wirtschaftspolitik in der Krise heißt für ihn, »dass Geld in den Kreislauf kommt«, so Stroedter weiter.

»Unser Ziel ist es, die Situation und die Entlohnung der Landesbeschäftigten zu verbessern. Gleichzeitig werden wir dafür kämpfen, dass wir im Flächentarifvertrag, also in der TdL bleiben«, sagte auch der Co-Vorsitzende der Linksfraktion, Carsten Schatz.

Es bleibt spannend, wie die TdL entscheiden wird. Ein Termin steht noch nicht, es dürfte aber zeitnah eine Mitgliederversammlung einberufen werden. Bis zu einer erneuten Abstimmung laufen nach nd-Informationen länder- und parteiübergreifend Gespräche im Hintergrund, um für Zustimmung zu werben und einen Sanktionsbeschluss zu verhindern.

»Ein Ausschluss aus der Tarifgemeinschaft der Länder wäre Mist«, sagte Finanzsenator Kollatz auf der Senatspressekonferenz am Dienstag. Es bestehe aber ein »nicht unerhebliches Risiko«, weil die außertarifliche Hauptstadtzulage gegen die TdL-Satzung verstoße, hieß es. »Der Beifall wird ausgesprochen gering ausfallen«, so Kollatz. Aber der Senat müsse die anderen so weit überzeugen, dass sie die Zulage für Berlin als notwendig akzeptieren »und es keinen Sinn macht, mit einem Ausschluss darauf zu reagieren«.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.