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Die SPD setzt aufs falsche Pferd
Olaf Scholz verspricht Transparenz bezüglich seiner Verbindung zur Warburg-Bank. Für Simon Poelchau hat er seine Glaubwürdigkeit bereits verspielt.
Manchmal fragt man sich, ob Olaf Scholz eine eigene, ganz spezielle Art von Humor hat. Im März wurde er vom Linksfraktionsvize im Bundestag, Fabio De Masi, gefragt, ob es neben dem von ihm eingeräumten noch weitere Treffen mit dem Hamburger Bankier Christian Olearius gegeben habe. Scholz ignorierte die Frage. Nun, nachdem vergangene Woche bekannt wurde, dass sich Scholz in den Jahren 2016 und 2017, damals als Regierender Bürgermeister Hamburgs, dreimal mit dem Chef der Warburg-Bank getroffen und einmal telefoniert hat, ließ der jetzige Bundesfinanzminister über sein Ministerium in der »Bild« ausrichten: »Wenn Herr De Masi mit Antworten von Herrn Scholz im Ausschuss nicht zufrieden gewesen wäre, hätte er damals ohne Probleme direkt nachfragen können.«
Man könnte über die Arroganz und Chuzpe lachen, wäre es eine fiktive US-Serie über den Politikbetrieb. Doch es geht um die Verwicklung des SPD-Kanzlerkandidaten in einen realen Skandal. Und dieser besteht nicht darin, dass sich Scholz vielleicht mal von Olearius zu einem teuren Essen oder auf eine schöne Reise hat einladen lassen. Es geht darum, ob Olaf Scholz dem Banker dabei geholfen hat, zu verhindern, dass das Hamburger Finanzamt bei der Warburg-Bank 47 Millionen Euro zurückforderte, die sich die größte inhabergeführte Privatbank Deutschland durch illegale Cum-Ex-Deals vom Fiskus erschlichen hat. Zur Erinnerung: Cum Ex ist der größte Steuerskandal der deutschen Geschichte. Mit den Aktiendeals rund um den Dividendenstichtag verursachten kriminelle Investoren einen Schaden von über zehn Milliarden Euro. Sie strichen dabei mehrfach die Rückerstattung einer nur einmal gezahlten Kapitalertragssteuer ein.
Insofern kann Olaf Scholz diesen Mittwoch, wenn er dem Bundestag Rede und Antwort steht, nur noch Schadensbegrenzung betreiben. Denn dass es weitere Treffen gegeben hat, daran besteht kein Zweifel. Diese sind detailliert in den Tagebucheinträgen von Olearius gelistet, die die Polizei als Beweismittel beschlagnahmte, und über die die »Süddeutsche Zeitung«, »Die Zeit« und der NDR berichteten.
Da nutzt es nichts, wenn Scholz jetzt »volle Transparenz« verspricht. Seine Glaubwürdigkeit ist schon zerstört. Er hätte bereits im März die Karten offen auf den Tisch legen müssen, hätte Olearius gar nicht erst die Privataudienzen gewähren dürfen.
Apropos »hätte, hätte Fahrradkette«: Diesen Spruch prägte 2013 Peer Steinbrück, seinerzeit selbst SPD-Kanzlerkandidat. Zwar musste sich Steinbrück später wegen seines früheren Amtes als Bundesfinanzminister selber im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss von Bundestagsabgeordneten unangenehme Fragen stellen lassen. Doch war dies lange nach seiner Kanzlerkandidatur und seiner Zeit als Minister. Außerdem war er im Gegensatz zu Scholz wenigstens ehrlich, als er »Beinfreiheit« gegenüber dem eher linken Wahlprogramm seiner Partei forderte. Ab da war klar, dass von ihm kein progressiver Impuls kommen würde.
Bei Scholz hingegen hat so manch ein aufrechter Sozialdemokrat noch Hoffnungen auf einen Politikwechsel. Diese nährt er auch selbst, wenn er höhere Steuern für Reiche im Falle seiner Wahl verspricht und dafür sogleich aus der richtigen Ecke, nämlich von Union und FDP, Kritik erntet. Vor allem aber stehen hinter ihm (noch) Personen wie die SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sowie Noch-Juso-Chef Kevin Kühnert, die für eine angebliche Erneuerung der Partei stehen.
Mit seinem Verschweigen weiterer Treffen hat Scholz nicht nur seiner Glaubwürdigkeit massiv geschadet, sondern auch der Glaubwürdigkeit seiner Partei, ganz speziell seines Parteivorsitzenden Walter-Borjans, der sich als NRW-Finanzminister im Kampf gegen Steuerhinterziehung einen Namen machte. Scholz steht damit für eine Gruppe von SPD-Politikern, die im Wahlkampf vielleicht mal links blinken, aber lieber Genosse der Bosse sind, die schuldig sind am Niedergang der SPD und offenbar immer noch das Sagen haben, wenn es darauf ankommt. Ansonsten wäre Scholz wohl auch nicht Kanzlerkandidat geworden.
Kurz nachdem ihn der Parteivorstand im August nominierte, sagte er: »Das wird ein harter Ritt.« Die SPD hat mit ihm aufs falsche Pferd gesetzt. Es ist nicht das erste Mal.
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