- Brandenburg
- Haushalt
Schuld an Schulden ist nicht nur Corona
Das Land Brandenburg verbraucht seine Rücklagen und nimmt zusätzlich Milliardenkredite auf
»Das ist kein normaler Haushalt, aber es sind keine normalen Zeiten«, sagte Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD) am Dienstagnachmittag. Zuvor hatte das rot-schwarz-grüne Kabinett ihren Entwurf des Haushalts 2021 gebilligt. Der Etat sei geprägt von Corona und den Folgen - so wie auch im Bund und bei anderen Ländern, erklärte Lange. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) meinte, man würde »Zukunftschancen verspielen«, wenn man jetzt bei Investitionen und Sozialausgaben »auf die Bremse treten« würde.
»Insgesamt ist dieser Haushalt mutlos und ohne Vision für das ganze Land«, bemängelte Linksfraktionschef Sebastian Walter. Die Autofabrik von Tesla in Grünheide sei allein eben nicht die Zukunft. Die Linke werde in der Haushaltsdebatte im Landtag dafür kämpfen, dass Brandenburg »solidarisch« aus der Coronakrise komme. »Bisher ist davon kaum eine Spur.«
- Abgesehen von der Staatskanzlei sollen alle Ressorts der Landesregierung im Jahr 2021 mehr Geld erhalten als ihnen im Nachtragshaushalt 2020 zugebilligt wurde.
- Für Zinsen sind 288 Millionen Euro eingeplant, für Investitionen 1,9 Milliarden Euro.
- Das Bildungsministerium, das wegen der Lehrer die meisten Mitarbeiter unter sich hat, bekommt 269 Stellen hinzu. Die neue Gesamtzahl liegt dann bei 20 183 Stellen.
- Die Zahl der Stellen des Innenministeriums, hier sind die Polizisten mitgerechnet, wächst um 61 auf 9744. Außerdem wird bei 20 Stellen der Vermerk »kann wegfallen« gestrichen. Sie dürfen nun also beim Ausscheiden des Mitarbeiters neu besetzt werden.
- Kein Ministerium geht beim Stellenzuwachs leer aus. Auch das Personal der Staatskanzlei wird um eine auf 214 Stellen aufgestockt. Erledigt hat sich aus Gründen der Sparsamkeit das Wahlversprechen der SPD, Regionalbeauftragte einzusetzen. Übrig bleibt nur der Lausitzbeauftragte, der bereits ernannt wurde.
- Für ein spezielles Landesaufnahmeprogramm für Christen, die aus ihrer Heimat flüchten müssen, sind 655 000 Euro reserviert. af
Zwei Milliarden Euro Rücklage konnten in den Jahren 2010 bis 2018 die Finanzminister Helmuth Markov und Christian Görke (beide Linke) aufbauen. Die jetzige Finanzministerin Lange lässt davon praktisch nichts übrig. Ende 2021 werden die Reserven praktisch verbraucht sein. Mit den Schulden verhält es sich ähnlich. Der Schuldenberg türmte sich ab 1991 Jahr für Jahr höher. 2010 war ein Rekordwert von 18,7 Milliarden Euro erreicht. Von 2013 bis 2018 wurde die Kreditsumme schrittweise auf 17,8 Milliarden Euro reduziert. Doch seitdem geht es wieder nach oben. Schon Ende 2021 werden sich die Schulden auf 22,7 Milliarden Euro summieren und 2023 auf mehr als 23 Milliarden Euro steigen.
Der Haushalt 2021 sieht Ausgaben in Höhe von 15 Milliarden Euro vor. Dem stehen Steuereinnahmen von nur 8,9 Milliarden Euro gegenüber. Das setzt die Entwicklung des laufenden Jahres fort, in dem 15,2 Milliarden Euro ausgegeben, jedoch lediglich neun Milliarden Euro Steuern eingenommen werden. Mit Ach und Krach ist es dem Finanzressort noch einmal gelungen, einen ausgeglichenen Etat zu zimmern. Doch ab 2022 tut sich eine Deckungslücke auf. Es ist unklar, wie diese Lücke geschlossen werden kann, ohne massiv zu kürzen oder sich weiter zu verschulden. Verantwortlich ist die Coronakrise, aber nicht allein. Es gibt auch ein strukturelles Defizit, vor dem der Landesrechnungshof immer wieder gewarnt hat.
1991 startete das Land Brandenburg mit Ausgaben von 7,3 Milliarden Euro. Danach bewegte sich die Summe zwischen neun und elf Milliarden. Dass der Solidarpakt mit den besonderen Hilfen für die ostdeutschen Bundesländer 2019 ausläuft, war lange klar - auch die Tatsache, dass Brandenburg dereinst vielen Lehrern und Polizisten Pensionen zahlen muss. Bis zum Jahr 2009 orientierte der damalige Finanzminister Rainer Speer (SPD) deshalb darauf, die Zahl der Stellen im Landesdienst bis zum Jahr 2019 von rund 50 000 radikal auf 40 000 zu drücken. So stand es 2009 im Koalitionsvertrag von SPD und Linke - und das war einer der am heftigsten umstrittenen Punkte. Der Personalabbau fiel aber aus. 48 163 Stellen gibt es gegenwärtig, und die Regierung will für 2021 noch 805 zusätzliche Stellen bewilligen. Allein die Personalausgaben werden sich dann auf 3,4 Milliarden Euro belaufen.
Da zwischen 2009 und 2019 sehr viele Beschäftigte in Rente gingen, wären ohne Neueinstellungen zuletzt nur 36 000 Stellen übrig geblieben. Dadurch hatte sich ein Spielraum für Einsparungen ohne Kündigungen ergeben. Dieser Spielraum wurde aber nicht genutzt, weil die Linke dagegen war, den öffentlichen Dienst derart zu schwächen. So wurde beispielsweise auch nichts aus dem Plan von Minister Speer, die Zahl der Polizisten drastisch auf 7000 zu senken. Gegenwärtig verfügt die Polizei über 8250 Stellen, und die Koalition hat sich vorgenommen, diese Zahl noch um 250 aufzustocken. Die Hochschule der Polizei in Oranienburg kann aber trotz erweiterter Kapazitäten gar nicht so viel Nachwuchs ausbilden, wie benötigt wird.
Ähnlich verhält es sich bei den Erzieherinnen. Eigentlich sollte im kommenden Jahr der Personalschlüssel in den Kitas verbessert werden - also das Verhältnis Kinder pro Erzieherin. Das wird aber um ein Jahr verschoben, da jetzt schon nicht genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen. Das verschafft dem Finanzministerium etwas Luft.
Die letzte Entscheidung über den Haushalt trifft der Landtag. Es ist nicht auszuschließen, dass er bei den für 2021 geplanten Ausgaben noch etwas oben drauf legt. Wünsche gibt es viele - und nur noch sehr wenige Abgeordnete waren bereits vor dem Jahr 2009 im Parlament und damit in einer Zeit, in der schmerzhafte Einsparungen zum Tagesgeschäft gehörten. Bis zum Ausbruch der Coronakrise sprudelten die Steuereinnahmen besser als erwartet und es gab etwas extra zu verteilen.
Seit Anfang 2020 gilt bundesweit eine Schuldenbremse. Darum hatte sich die rot-schwarz-grüne Koalition vor Fristablauf noch schnell Kredite für einen Zukunftsinvestitionsfonds von einer Milliarde Euro genehmigt. Dieser Fonds war schnell maßlos überzeichnet. Es gab Anmeldungen für Projekte, die zusammen 2,5 Milliarden Euro gekostet hätten. Darum musste ausgewählt werden, für welche Vorhaben das Geld in den kommenden zehn Jahren fließt. Der Großteil der Summe - 881 Millionen Euro - wird bereits vor der Landtagswahl 2024 verbraten sein.
Die Landesverfassung lässt eine Neuverschuldung ausnahmsweise weiterhin zu, wenn sich eine Katastrophe ereignet. Die Coronakrise ist eine solche Katastrophe. Es wurde eine Notlage erklärt, um bis zu zwei Milliarden Euro Kredit für einen Rettungsschirm aufnehmen zu können. Für 2021 soll noch einmal eine Notlage erklärt werden, um sich weitere 1,9 Milliarden Euro zu borgen.
Es wäre unvernünftig, gegen eine Krise anzusparen und die wirtschaftliche Notlage damit noch weiter zu verschärfen. Brandenburg ist kreditwürdig und könnte zur Bewältigung der Coronakrise theoretisch sogar noch mehr Schulden machen, zumal die Banken derzeit nur geringe Zinsen verlangen.
Was die Regierung beabsichtigt, deckt sich mit den Vorstellungen des britischen Ökonomen John Maynard Keynes (1883-1946) zum Umgang mit Krisen. Der Liberale Keynes entwickelte seine Theorie des absichtlichen Haushaltsdefizits, weil er fürchtete, es könnten auch in anderen Staaten sozialistische Revolutionen siegen so wie in seiner Zeit in Russland. Eine ganze Schule entstand daraus - der Keynesianismus, beliebt vor allem bei linken Wirtschaftswissenschaftlern.
Das Haushaltsdefizit in schlechten Jahren kann sich ein Bundesland unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen nur dann leisten, wenn es zuvor in guten Jahren ein Polster anlegte. Das geht allein durch eine Sparpolitik. Um die Einnahmen deutlich zu erhöhen - das wäre die Alternative gewesen - hätte der Bundestag an den Stellschrauben drehen und beispielsweise mehr Steuern auf hohe Einkommen und große Vermögen erheben müssen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.