Das, was man will
Poetisch und feministisch: »Das Ewachen« von Kate Chopin wurde wieder aufgelegt
Kate Chopin hat mit »Das Erwachen« einen feministischen Roman über die Befreiung einer bourgeoisen Frau aus dem 19. Jahrhundert geschrieben: literarisch, fesselnd, erhellend. Es ist das bekannteste Buch der Schriftstellerin aus Louisiana, die es 1899 veröffentlichte. Diese Geschichte einer jungen Frau, die sich von ihrem Ehemann emanzipiert, war damals ein Skandal.
Auf Deutsch erschien »Das Erwachen« erstmals 1997 im Inselverlag in der Übersetzung von Ingrid Rein. Diese Fassung wurde vom fränkischen Verlag Ars Vivendi nun wieder aufgelegt.
»Das Erwachen« ist in vielerlei Hinsicht von unvergänglicher Bedeutsamkeit, ein »Schlüsselwerk der frühen feministischen Literatur Amerikas«, wie der Verlag wirbt, zu Recht. Die Sprache in diesem Roman wirkt wie gesungen, poetischer könnte ein Buch gar nicht sein. Chopin erzählt die Entwicklung der 29-jährigen Edna Pontellier von der angepassten Ehefrau und Mutter zur selbstbewussten, nach lustvoller Autonomie strebenden Frau.
Es beginnt mit dem Sommerurlaub auf der Insel Grand Isle im Golf von Mexiko. Eines Abends kehrt Ednas Ehemann nach einem Arbeitstag zur Familie zurück und meint, der Sohn habe Fieber. Edna negiert dies, worauf er eine Suada loslässt: »Er hielt seiner Gattin ihre Unaufmerksamkeit, ihre ständige Vernachlässigung der Kinder vor. Wenn es nicht die Aufgabe einer Mutter sei, sich um die Kinder zu kümmern, wessen Aufgabe sei es um alles in der Welt denn dann? Er selbst habe alle Hände voll zu tun mit seinem Börsenmaklergeschäft, könne nicht an zwei Orten gleichzeitig sein«.
Und dann lernt Edna schwimmen. Und sie verliebt sich in den jüngeren Robert. Er geht nach Mexiko, sie hat eine Affäre mit einem anderen jungen Mann und will sich den Gepflogenheiten ihrer Klasse nicht mehr beugen. So cancelt sie beispielsweise die wöchentlichen Empfänge für die Gattinnen der feinen Gesellschaft. Das heißt, sie cancelt sie nicht, sondern sie bleibt ihnen fern, was ihren auf Etikette bedachten Ehemann entsetzt. Als die Kinder bei den Großeltern sind und der Ehemann auf Geschäftsreise zieht sie in ein kleines Haus, nahe dem Haupthaus ihres Anwesens. Um den Ausbruch seiner Frau zu verschleiern, lässt der Ehemann das Haus renovieren, so bleiben die Konventionen gewahrt.
Edna trifft sich mit der ebenso schrulligen wie virtuosen Pianistin Mademoiselle Reisz, einer gesellschaftlichen Außenseiterin, die ihre Verbündete wird. Sie beginnt zu malen, ein Symbol für ihren Freiheitsdrang. Eine Künstlerin sollte »Mut haben. Unerschrocken sein. Etwas wagen und sich gegebenenfalls auch widersetzen«, sagt Mademoiselle Reisz. Sie erhält auch Briefe von Robert, die sie Edna zu lesen gibt, sie ist also das Bindeglied zwischen Edna und Robert, der irgendwann zurückkehrt. Es spricht für das Buch, dass dem Ende eine gewisse Tragik innewohnt, die etwas mit Ednas gewonnenen Freiheiten zu tun hat.
Kate Chopin stammte aus einer irisch-kreolischen Familie und muste sich bereits in jungen Jahren als Witwe durchkämpfen. Obwohl sie ihre sechs Kinder allein großzog, schrieb sie von Presse und Publikum gefeierte Kurzgeschichten. »Das Erwachen« aber war ein Sakrileg. Es bedeutete ihren Ausschluss aus dem Literaturbetrieb. Erst lange nach ihrem Tod 1904 wurde sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Autorin wiederentdeckt.
Auf der Rückseite von »Das Erwachen« steht ein Zitat aus dem Roman: »Sie fing an zu tun, was sie wollte, und zu fühlen, was sie wollte …«
Kate Chopin: Das Erwachen. A.d. amerik. Engl. v. Ingrid Rein. Ars Vivendi, 200 S., geb., 22 €.
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