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Sachsens AfD erhofft ersten Rathauschef
Von Chemnitz bis Cunewalde: Bis Jahresende wählen 42 Kommunen im Freistaat neue (Ober-)Bürgermeister
Gut ein Jahr nach der Landtagswahl in Sachsen steht im Freistaat wieder ein Wahlmarathon an. Seit Anfang September bis November werden in 42 Kommunen neue Bürger- und Oberbürgermeister gewählt, allein 20 davon am 20. September. Grund dafür, dass die Abstimmungen in derart geballter Form stattfinden, ist die Corona-Pandemie. Sie sorgte dafür, dass viele früher im Jahr geplante Urnengänge verschoben wurden, zum Beispiel in Chemnitz. Dort hätte die Nachfolge von SPD-Politikerin Barbara Ludwig im Juni geregelt werden sollen; nun fällt die Entscheidung erst gut ein Vierteljahr später.
Der Posten an der Verwaltungsspitze der drittgrößten Stadt des Landes, um den sich neun Kandidaten bewerben, ist ohne Zweifel der prestigeträchtigste, der in diesem Herbst zu vergeben ist. In Leipzig war schon im März SPD-Amtsinhaber Burkhard Jung knapp bestätigt worden; in Dresden wird erst im Jahr 2022 gewählt. Unter den mittelgroßen, ehemals kreisfreien Städten im Freistaat stehen Zwickau und Hoyerswerda für den 20. September auf der Liste, letztere mit dem entscheidenden zweiten Durchgang. In Zwickau trat die eigentlich bis 2022 gewählte Amtsinhaberin Pia Findeiß vorzeitig zurück - aus privaten Gründen, wie sie sagt. Bekannt ist aber, dass die SPD-Politikerin aus rechten Kreisen schikaniert worden war.
Doch auch etliche Abstimmungen in kleineren Städten und Gemeinden ziehen Aufmerksamkeit auf sich - nicht zuletzt wegen der Frage, ob es der AfD gelingt, erstmals im Freistaat in Folge einer Wahl einen Chefposten in einem Rathaus zu besetzen. Sachsen ist für die Partei eine Hochburg; bei der Landtagswahl 2019 lag sie nur knapp hinter der CDU, und bei den Kommunalwahlen im Mai 2019 wurde sie zum Beispiel im Kreistag Görlitz stärkste Kraft. Ihr überregional beachteter Versuch, auch das Rathaus in Görlitz zu erobern und so die Basis für einen Sieg bei der Landtagswahl zu legen, scheiterte indes. Der in Runde eins siegreiche AfD-Mann Sebastian Wippel wurde im zweiten Durchgang von Octavian Ursu (CDU) abgefangen, nachdem die drittplatzierte Grüne Franziska Schubert zurückgezogen hatte.
Nun rechnet sich der im Freistaat extrem rechte Landesverband Chancen vor allem in einigen Orten in Ostsachsen aus. Zwar nicht in der Gemeinde Neißeaue, wo die AfD bei der Landtagswahl mit 48,8 Prozent ihr Rekordergebnis einfuhr. Zur Wahl des Bürgermeisters stellte sie keinen Kandidaten auf. In den Gemeinden Schleife, Ohorn oder Cunewalde aber tritt neben Bewerbern der AfD jeweils nur ein weiterer Kandidat an. In Schleife, wo erst im November gewählt wird, stellte die AfD einen Handwerker auf, der mit dem Bonus des besten Ergebnisses bei der Wahl des Gemeinderates ins Rennen geht. Gleiches gilt für ihren Kandidaten in Arnsdorf bei Dresden, bei dem es sich um eine besonders pikante Personalie handelt. Die AfD schickt den früheren CDU-Gemeinderat Detlef Oelsner ins Rennen. Er war einer von vier Männern, die im Frühjahr 2016 einen psychisch kranken Flüchtling nach einem Streit in einem Discounter mit Kabelbindern an einen Baum fesselten. Der Vorfall sorgte bundesweit für Aufsehen, und er vergiftete die Stimmung im Ort. Die bisherige SPD-Bürgermeisterin Martina Angermann wurde von Rechten angefeindet und zieht sich aus der Kommunalpolitik zurück. Oelsner ist bei der Wahl, die ebenfalls am 20. September stattfindet, einer von drei Bewerbern. Bei der Wahl des Gemeinderates 2019 schnitt er mit 832 Stimmen weit besser ab als alle anderen Bewerber.
Unspektakulärer und jenseits der Gemeindegrenzen weniger beachtet dürften die Abstimmungen in vielen anderen Orten verlaufen. Die Kandidatenlisten bestätigen, dass Parteien außer CDU und neuerdings der AfD kaum eine Rolle spielen, je kleiner die Orte sind. Wenige Ausnahmen gibt es. Im bei Leipzig gelegenen Markleeberg (24 000 Einwohner) will ein SPD-Politiker sein Amt verteidigen; ebenso in Augustusburg bei Chemnitz (5000 Einwohner). In Elsnig bei Leipzig ist ein FDP-Mann einziger Bewerber.
Ansonsten sind die kleineren Rathäuser eine Domäne von freien Wählergruppen und Einzelbewerbern. Sie stellen nach Angaben des Statistischen Landesamtes von Januar 2020 aktuell in Sachsen 35,3 bzw. 32,5 Prozent der Bürgermeister. 24,1 Prozent der Amtsinhaber haben ein CDU-Parteibuch, 3,8 Prozent sind in der SPD, 2,1 Prozent bei den Liberalen. Die Linke stellt 1,7 Prozent der Bürgermeister im Land, jedoch in keinem der Rathäuser, um die in den nächsten Wochen gewetteifert wird. Bei den Grünen sind 0,2 Prozent der Bürgermeister. Erwähnt wird mit 0,2 Prozent auch noch die rechte Splitterpartei Deutsche Soziale Union (DSU), die aber Auflösungstendenzen verbuchen muss. Mit Ulrich Lupart wechselte in Reuth (Vogtland) einer ihrer Bürgermeister im Sommer 2016 zur AfD und wurde so formal deren erster Rathauschef - für Wochen, bevor der Ort seine Eigenständigkeit verlor. Mit Hans-Joachim Weigel in Schönfeld (Landkreis Meißen) verließ ein zweiter DSU-Bürgermeister Anfang 2019 die Partei; er sitzt nun als Parteiloser in der AfD-Fraktion im Kreistag. Einen gewählten Rathauschef hat die Partei in Sachsen indes nicht - zumindest bisher.
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