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»Wir kämpfen uns bergauf«
Der nordrhein-westfälische Linken-Landessprecher Christian Leye will, dass seine Partei deutlich an der Seite der Beschäftigten steht
Wie steht es wenige Tage vor dem Wahltag in Nordrhein-Westfalen mit dem Linken-Wahlkampf?
Es läuft gut. Unsere Kreisverbände sind wirklich hochmotiviert und kämpfen - trotz erschwerter Bedingungen durch das Corona-Virus - um jede einzelne Stimme. Ich denke, dass der Landesverband eine echte Entwicklung gemacht hat und heute deutlich professioneller auftritt und arbeitet. Außerdem haben wir erfreulich viel Unterstützung bekommen in diesem Kommunalwahlkampf. Alleine Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine haben zusammen 14 Termine in NRW. Dazu kommen Termine von Dietmar Bartsch, Amira Mohamed Ali, Gregor Gysi und aus dem Parteivorstand von Bernd Riexinger und Ali Al-Dailami. Ich hoffe, ich habe da jetzt niemanden vergessen.
Wo und mit welchen Themen konnte die Partei Schwerpunkte setzen?
Das ist von Kommune zu Kommune unterschiedlich. Unsere Kreisverbände reagieren auf die Probleme vor Ort. Als Landesverband setzen wir klar auf die soziale Frage und verbinden sie mit anderen politischen Themen. Die Wohnungsfrage wurde nicht nur auf Bundesebene leidenschaftlich diskutiert im letzten Jahr, auch in den Kommunen spielt sie eine wichtige Rolle. Wir fordern eine Verkehrswende, die sozial und ökologisch ist und natürlich packen wir das heiße Eisen Kommunalfinanzen an. Das ist gerade in NRW ein Thema, wo viele Kommunen strukturell unterfinanziert sind. Dies ist im Kern das Ergebnis der unsozialen Steuerpolitik der vergangenen Jahre. Die Milliarden an Steuergeschenken an Multimillionäre und ihre Banken und Konzerne wurden am Ende den Kommunen in Rechnung gestellt. Die konnten sich am Ende der fiskalpolitischen Nahrungskette kaum dagegen wehren, als Bund und Land die Finanzierung reduzierten. Da muss sich Politik ehrlich machen und aufzeigen, dass die Kommunen mit ihren Bordmitteln kaum in der Lage sind, die Probleme zu stemmen. Wir fordern, die großen Vermögen endlich zu besteuern und einen Altschuldenfonds für die überschuldeten Kommunen.
In aktuellen Umfragen steht die Linke Kommunal wie auch auf Landesebene ziemlich stabil bei ihren Ergebnissen der letzten Wahlen. Ist dies das Maximum, was die Partei in NRW erreichen kann?
Wir kämpfen uns gerade bergauf. Wir sind aus meiner Sicht noch in einer Phase der Krise, in der sich viele Menschen an die Regierenden wenden und hoffen, dass die sich um sie kümmern. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in Umfragen wider. Da darf man sich nichts in die Tasche lügen. Ich bin aber überzeugt, dass unser Maximum ganz woanders liegt. Wir steuern auf die härteste Wirtschaftskrise in der Geschichte der Bundesrepublik zu. Die soziale Frage wird mit aller Gewalt auf die politische Tagesordnung kommen, und da sind wir als Linke bereit. Wir haben die weitestgehenden Antworten, ausgearbeitete Konzepte und Glaubwürdigkeit bei diesem Thema.
Was muss die Partei tun, um mehr Wähler zu überzeugen?
Da gibt es sicher viele schlaue Antworten drauf. Zwei Punkte, die mir wichtig sind: Wir sollten besser vermitteln, dass wir an der Seite der Beschäftigten stehen, der Menschen in prekären Jobs und jenen, die kaum wissen, wie sie am Ende des Monats über die Runden kommen. Das ist unsere ureigenste Aufgabe als sozialistische Partei. Inhaltlich machen wir diese Angebote bereits. Dass es von dem Menschen auch angenommen wird, daran müssen wir stärker arbeiten und da müssen wir auch an uns arbeiten. Zweitens denke ich, dass die harten und oft öffentlichen Auseinandersetzungen in der Partei uns nicht gut getan haben. Wir müssen die Partei zusammenführen und die Reihen schließen.
Der nächste Landesparteitag findet am letzten Septemberwochenende statt. Gleichzeitig sind die Stichwahlen. Linke Oberbürgermeister sind in NRW also noch unrealistisch?
Nein. Als inzwischen größter Landesverband schaffen wir die beiden Termine ganz gut parallel. Ob es aber am Ende für eine Stichwahl reicht, das sehen wir dann.
Treten Sie wieder als Landessprecher an?
Ja, ich werde wieder kandidieren. Wir haben inzwischen einen guten Weg eingeschlagen. Den würde ich gerne noch etwas begleiten.
Ihre Ko-Sprecherin Inge Höger tritt nicht wieder an. Haben Sie Wünsche, wer sich das Amt künftig mit Ihnen teilen soll?
Als männlicher Bewerber werde ich da keine Wünsche formulieren, dafür gibt es den Parteitag.
Sie haben kürzlich den friedenspolitischen Aufruf von etwa 75 Linke-Politikern unterschrieben. Haben Sie dabei die volle Rückendeckung ihres Landesverbandes?
Ja, in Nordrhein-Westfalen ist der Landesverband nach meiner Einschätzung in der Friedensfrage klar. Und sie ist ja auch teilweise im Kommunalwahlkampf Thema, etwa wenn es um die Werbung für die Bundeswehr auf lokalen Jobmessen geht. Allerdings muss man dazu sagen, dass sich die innerparteilichen Diskussionen gerade in Grenzen halten, da die Partei derzeit bis über beide Ohren im Wahlkampf steckt.
Der NRW-Parteitag findet kurz vor dem Bundesparteitag statt. Welches Signal kann er dafür senden?
In der Partei gab es in den letzten Jahren immer wieder heftige Auseinandersetzungen, die leider auch mit öffentlichen Angriffen verbunden waren. Die haben Kraft und Zeit gekostet. In Nordrhein-Westfalen zeichnet sich nun die Möglichkeit ab, dass es zu einer breiten flügel- und strömungsübergreifenden Zusammenarbeit kommen kann. Wir müssen die Reihen schließen und das Gemeinsame in den Vordergrund stellen. Ich denke, dass wir als sozialistische Partei nur so die enormen Herausforderungen bewältigen können, vor die uns die Krisensituation stellt. Und es ist natürlich auch die Voraussetzung, um in zwei Jahren den Einzug in den Landtag zu schaffen. Ich würde mich freuen, wenn dieses Signal der Geschlossenheit und der Befriedung von Konflikten an den Bundesparteitag ginge und sich dort auch in Personalentscheidungen widerspiegeln würde.
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