- Politik
- Nach dem Brand in Moria
Wege zur Rettung aus dem Elend
Demonstrierende fordern nach dem Brand im Lager Moria die Evakuierung von Geflüchteten
Unter dem Motto »Wir haben Platz« haben am Mittwochabend zahlreiche Menschen im Berliner Regierungsviertel für die sofortige Aufnahme von Flüchtlingen aus dem abgebrannten Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos nach Deutschland demonstriert. Nach Angaben der Veranstalter, zu denen unter anderem das Netzwerk »Seebrücke«, die Internationale Liga für Menschenrechte und zahlreiche Flüchtlingsorganisationen gehörten, hatten 10.000 Menschen an dem Protest teilgenommen. Nach Polizeiangaben waren es 3000. Zu sehen waren fantasievolle Transparente mit Aufschriften wie »Moria evakuieren, sofort« oder »Seebrücke statt Seehofer« sowie Fahnen von Linken, Grünen und dem Netzwerk Unteilbar. Die Demonstranten haben Masken getragen und die Abstandsregeln eingehalten.
Die Demonstranten zeigten sich sehr betroffen von den Ereignissen auf der griechischen Insel. »Was auf Moria geschieht, ist keine Naturkatastrophe«, sagte ein Redner auf dem Lautsprecherwagen. »Es ist politisch gewollt. Diese Abschottung wird die Flüchtlingsbewegungen aber nicht stoppen.« Moria sei bis zur Nacht zu Mittwoch der größte Slum Europas gewesen. 13.000 Menschen hätten in Zelten oder Bretterverschlägen ohne Strom und Wasser gelebt. Nachdem es erste Coronafälle gab, wurde das Lager unter Quarantäne gestellt, ohne dass die medizinische Hilfe für alle reichte.
Berenice Böhlo vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltsverein sprach von einem »grauenvollen Tag in der Geschichte Europas.« Das von der EU-Politik gewollte Prinzip der Hotspots an den europäischen Außengrenzen, von denen aus man Europa die Geflüchteten fernhalten wolle, sei in der Nacht zum Mittwoch »fundamental zusammengefallen.«
Ein junger Afghane, der einst selbst in Moria hatte vegetieren müssen, erinnert sich, in etwas ähnlichen wie in einer Höhle gelebt zu haben. »Es ist ein Ort ohne Sicherheit, wo einem niemand hilft.« Eine Vertreterin der Seebrücke, die dort einige Zeit ehrenamtlich arbeitete, sprach von zehnjährigen Kindern mit Suizidabsichten.
170 Kommunen in Deutschland und mit Berlin und Thüringen sogar zwei Bundesländer, hatten sich lange vor dem Feuer bereit erklärt, Geflüchtete aus Griechenland aufzunehmen. Dies wird jedoch durch die Blockade von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verhindert. Berlins Linken-Vorsitzende Katina Schubert freute sich am Rande der Demonstration über neue Stimmen für eine Aufnahmebereitschaft aus den Landesregierungen von Brandenburg, Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.
»Rot-Rot-Grün in Berlin hat am Mittwoch im Koalitionsausschuss vereinbart, weiter auf Seehofer einzuwirken, dass er seine Blockadehaltung aufgibt«, sagt Schubert dem nd. Da würden alle drei Koalitionspartner an einem Strang ziehen. Außerdem hatte Berlin gemeinsam mit Thüringen bereits Ende 2019 eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Ausländerrechtes gestartet. Ihr zufolge sollten Bundesländer und Kommunen auf eigene Initiative Flüchtlinge aufnehmen dürfen, ohne dass der Bund das verbieten könne. Schubert: »Ich hoffe da auf einen Dominoeffekt, dass da jetzt mehr Länder zustimmen.«
Außerdem habe Berlin gegen die ablehnende Haltung von Horst Seehofer zur Aufnahme von 300 Flüchtlingen aus Griechenland nach Berlin geklagt. »Das dauert natürlich, bis da ein Gericht entscheidet, und so lange können die Flüchtlinge auf Lesbos nicht warten«, sagt die Politikerin.
Mehrere Redner verlasen aktuelle Meldungen von der Situation auf der griechischen Insel. Denen zufolge würden die 13.000 Menschen ohne jede Habe, ohne warme Decken und sogar ohne Ausweise, über die Insel laufen und einen Platz zum Schlafen suchen. Anwohner hätten ihre Straßen verbarrikadiert. Es bestehe die Gefahr von Straftaten seitens rechtsextremer Kräfte gegen schutzlose Männer, Frauen und Kinder. Bislang gäbe es keine Informationen zu den Brandursachen und auch keine Angaben zu Toten durch die Flammen.
Für Georg Classen vom Berliner Flüchtlingsrat ist die Lösung ganz einfach: »Unsere Forderung ist es, die Menschen von dort herzuholen. Der Weg ist das Flugzeug. Lesbos hat einen Flughafen. Berlin hat einen Flughafen, und andere Städte in Deutschland und Europa haben auch Flughäfen.«
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