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USA weiten Einfluss in Südosteuropa aus
Serbien und Kosovo unterzeichnen Vertrag in Washington. Die EU, Russland und China bleiben außen vor
Wer verstehen will, welche Bedeutung das am 4. September im Washington unterzeichnete Abkommen zwischen Serbien und Kosovo hat, findet Antworten in einem Interview mit Richard Grenell: Es gehe um die »Transformation der gesamten Region«, erklärte der am Montag gegenüber dem evangelikalen American Center for Law and Justice (ACLJ). Weg von Russland und China und hin zu den USA und westlichen Werten, dieser Weg sei nun festgeschrieben.
Grenell ist nicht irgendwer, sondern der Sonderberater für Nationale Sicherheit von US-Präsident Donald Trump und seit knapp einem Jahr zuständig für den Dialog zwischen Belgrad und Pristina. Dort, auf dem von Washington weit entfernten Balkan, erhoffte sich der US-Präsident einen außenpolitischen Erfolg für seinen Wahlkampf. Herausgekommen ist das »Abkommen zur wirtschaftlichen Normalisierung«, das Trump als »historisch« preist und das er in den nächsten Wochen für seine Zwecke zu nutzen weiß.
Hatte Grenell zu Beginn der Gespräche am 3. September noch angekündigt, Politik werde beiseitegelassen, sind die 16 Punkte des vom serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic und dem kosovarischen Premierminister Avdullah Hoti unterschriebenen Dokuments ein Beispiel imperialer Machtansprüche. Als Mittel dafür dient wirtschaftliche Kooperation, das Ziel ist, den Einflussbereich der USA in Südosteuropa auszubauen. Dabei geht Washington nicht nur in Konkurrenz zu Russland und China, sondern auch zur Europäischen Union.
Das nun geschlossene Abkommen enthält drei Bereiche, die weitreichende Folgen haben werden: Erstens setzen die USA auf eine wirtschaftliche Entwicklung nach ihren Vorstellungen. Durch verschiedene Infrastrukturprojekte soll die US-Präsenz auf dem Balkan ausgebaut werden. Dafür wird die U.S. International Development Finance Corporation eine Niederlassung in Belgrad eröffnen. Sie soll zum einen die geplante Zugverbindung und Autobahn finanzieren, aber auch Kredite an kleine und mittlere Unternehmen vergeben. Damit würde die Stellung des US-Dollars in der Region gestärkt, wo neben den einheimischen Währungen der Euro als Zahlungsmittel dominant ist.
Der zweite Bereich betrifft die Beziehung mit anderen Staaten, vor allem mit Russland und China. Zum einen heißt es in dem Papier, die Unterzeichner sollen ihre Energieversorgung »diversifizieren«. Dies wäre besonders für Serbien folgenschwer, das sein Erdöl und -gas von russischen Unternehmen bezieht. Diese Abhängigkeit ist Teil einer strategischen Partnerschaft, die nun teilweise infrage gestellt wird. Weniger enge, doch wirtschaftlich wichtig sind die Beziehungen zwischen Belgrad und Peking. So ist das chinesische Unternehmen Huawei unter anderem am Ausbau des 5G-Netzes in Serbien beteiligt. Laut dem Washingtoner Abkommen soll - ohne Huawei namentlich zu nennen - auf »nicht vertrauenswürdige Anbieter« verzichtet und deren Technik wieder entfernt werden.
Drittens schließlich bedeutet der Vertrag vom 4. September, dass sich Belgrad und Pristina außenpolitisch den USA unterordnen. Das betrifft nicht nur die Einstufung der libanesischen Hisbollah als Terrororganisation oder das internationale Eintreten für die Entkriminalisierung von Homosexualität. Vielmehr wird mit der Verlegung der serbischen Botschaft nach Jerusalem sowie der Einrichtung der kosovarischen Vertretung dort ein Bruch des Völkerrechts festgeschrieben. Trump unterstreicht den israelischen Anspruch auf Jerusalem; im Gegenzug erklärte sich die israelische Regierung dazu bereit, Kosovo anzuerkennen, nach dem es dies jahrelang abgelehnt hatte.
Für Serbien ist das Washingtoner Abkommen ein weiterer Schritt in Richtung Anerkennung des Kosovo. Darüber kann auch Vucics Beschwichtigung nicht hinwegtäuschen, es handele sich lediglich um einen bilateralen Vertrag mit den USA. Wie Trump hatte er darauf gesetzt, dass die von Grenell geführte Initiative bereits in der ersten Hälfte 2020 einen schnellen Deal bringt. Doch die Europäische Union durchkreuzte die Pläne, indem der kosovarische Präsident Hashim Thaci vor das Kosovo-Spezialgericht in Den Haag geladen wurde.
Brüssel, das seit zehn Jahren wenig erfolgreich die Gespräche zwischen Serbien und Kosovo leitet, verfolgt mit Argwohn das US-Engagement auf dem Balkan, den nicht zuletzt Deutschland als Hinterhof betrachtet. So verwundert es nicht, dass die EU das Washingtoner Abkommen ablehnt. Man habe dieses zur Kenntnis genommen, ließ Außenkommissar Josep Borrell durch seinen Sprecher Peter Stano ausrichten. Im Laufe der Woche wurde der Ton gegenüber Belgrad und Pristina harscher: Kein EU-Staat habe seine Botschaft in Jerusalem, hieß es aus Brüssel. Und direkt an das Kosovo gerichtet, erklärte Stano, kein Land könne Mitglied der EU werden, das nicht von allen anderen anerkannt sei. Mit anderen Worten: Wer mit den USA geht, kommt nicht in die EU an.
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