- Politik
- Schleswig-Holstein
Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit
Kieler Landtag streitet über Ursachen für Ministerwechsel
Ein Ministerwechsel von Ende April sorgt in Schleswig-Holstein für Turbulenzen. Nach einer rund zehnstündigen Innen- und Rechtsausschusssitzung im Parlament zu der Thematik bleiben offene Fragen, weil Aussage gegen Aussage steht. Im Fokus waren Ministerpräsident Daniel Günther und sein ausgetauschter Ex-Innenminister Hans-Joachim Grote (beide CDU).
Als Aufklärer über die Beweggründe der Minister-Demission schwang sich die SPD auf. Sie stellt sich an die Seite Grotes und bezichtigt den Regierungschef, der Öffentlichkeit nicht die wahren Gründe über den Kabinettswechsel gesagt zu haben. Je länger sich dieser Streit hinzieht, desto mehr könnte Günthers Image leiden. Bisher erhält der Ministerpräsident noch die komplette Rückendeckung aus der Jamaika-Koalition.
Günther hatte Grote den Rücktritt nahegelegt. In der publizierten Fassung des am 28. April erfolgten Wechsels wurden gesundheitliche Gründe aufgeführt und die Aussage, dass der 65-Jährige mit seinem Schritt möglichen politischen Schaden von der Landesregierung abwenden wollte. Zuvor hatte Günther von der Staatsanwaltschaft Kiel zwei Berichte über Grote-Chats mit einem Polizeireporter der »Kieler Nachrichten« erhalten, der wiederum die erlangten Chat-Informationen an den damaligen stellvertretenden Vorsitzenden der Deutschen Polizei-Gewerkschaft weiterleitete. Unter anderem prahlten beide damit, durch ihren Kontakt den Minister in der Hand zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor die Beschlagnahmung von IT- und Mobilgeräten des Gewerkschafters veranlasst, gegen den wegen Weitergabe von Dienstgeheimnissen an den Journalisten ermittelt wurde. Der inzwischen suspendierte Gewerkschafter muss sich in Kürze wegen des Vorwurfs vor Gericht verantworten. Im Zuge der staatsanwaltlichen Auswertung von WhatsApp-Nachrichten erfolgte auch der Fund von beziehungsweise über die Grote-Kommunikation.
Günther behagte die kommunikative Nähe von Grote zum Journalisten nicht, sprach nach den staatsanwaltlich dokumentierten Chats von einem Vertrauensverlust. Grote bleibt aber dabei, er habe keine vertraulichen Informationen mit dem Reporter ausgetauscht. Günther hatte Grote übel genommen, dass dieser angeblich zunächst jeglichen schriftlichen persönlich-vertraulichen Chat-Kontakt mit dem Journalisten abgestritten hatte. Drei Tage später räumte Grote aber den Kontakt ein - in Form einer dienstlichen Presse-Kommunikation.
Ein Widerspruch tat sich auch in der Frage auf, ob Grote nach seinem erzwungenen Ausscheiden aus dem Amt den Zugriff auf seine damaligen Mobilgeräte verweigere. Dies gab Innen-Staatssekretär Torsten Geerdts zu Protokoll, Grote dagegen eine andere Version.
SPD-Fraktionschef Ralf Stegner sagte, der Ministerwechsel als solcher sei nicht in Frage zu stellen. Ein Ministerpräsident könne dies sogar ohne Begründung tun. Doch wenn er Gründe nenne, dann müssen diese der Wahrheit entsprechen. Die SPD vermutet, Grotes durchgesetzte Polizeireform mit einigen Personalwechseln habe vielen auch parteiintern nicht gefallen. Deswegen fehlte nur ein Anlass, sich vom Minister zu trennen. Eine erste vorbereitete Pressemitteilung zum Grote-Aus aus der Staatskanzlei, die dann aber keine Verwendung fand, gibt solchen Thesen Nahrung. Denn diese sei laut Stegner »ein Komplettverriss der Amtsführung Grotes« gewesen. Günther beschwichtigte im Ausschuss, zu einzelnen Vorgängen werden je nach Szenario öfter mehrere Pressefassungen vorgefertigt.
Noch fragwürdiger findet die SPD die Rolle der Staatsanwaltschaft. Die an Günther übermittelte Verfasserin der beiden Grote-Berichte, die Leiterin der Staatsanwaltschaft Kiel Birgit Heß, hatte sich dreimal mit Günther ausgetauscht. Es sei nur um juristische Fragen gegangen, so der Ministerpräsident. Selbst bei Abfassung der Pressemeldung über den Ministerwechsel war sie eingebunden, um zu checken, ob der Text dem Ermittlungsverfahren gegen den Gewerkschafter entgegenstehen würde. Für Stegner steht fest, dass die Anklagebehörde sich hat instrumentalisieren lassen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.