Polizeihilfe für Rechtsextreme

Revolver und Pfefferspray: Rechte Provokationen in Portland.

  • Spencer Sunshine
  • Lesedauer: 4 Min.

»Little Beirut« nannte George W. Bush die Stadt in Oregon, als er Portland 1991 besuchte. Der Grund: der wilde Protest, der ihm entgegenschlug. Heute sind antirassistische Proteste scharfer Repression von den Sicherheitsbehörden ausgesetzt, Angriffen von rechten Demonstranten und einem Kulturkampf von Donald Trump. Zwei Menschen sind in dem Konflikt getötet worden. Zunächst wurde ein rechter Aktivist erschossen. Ein Mann gestand die Tat. Auch er wurde erschossen, von der Polizei.

Portland ist eine Stadt voller Ironie und Widersprüche. Es ist eine der liberalsten Städte der USA, aber Oregon als Bundesstaat ist außer weniger liberaler Enklaven sehr konservativ. Seit über 100 Tagen gibt es Black-Lives-Matter-Proteste in der Stadt, obwohl Portland eine der weißesten Städte im Land ist. Die Demonstrationen in Portland waren wie anderswo zuerst sehr militant, es wurde auch geplündert, doch sie beruhigten sich schnell. Eine etablierte Protestkultur und langjährige Frustration über die Polizei führte zu andauernden Demonstrationen. Der Protest hatte viele Formen, von Vandalismus über einige Fälle von Brandstiftung zu karnevalartigen Festen und dem Verteilen von Umsonst-Essen.

Die lokale Polizei versuchte immer wieder, die Proteste gewaltsam aufzulösen, mit Waffen wie Blendgranaten, Gummigeschossen und Tränengas. Als Reaktion darauf begannen Demonstrierenden, Skibrillen, Körperschutz und Helme zu tragen - besonders nachdem ein Projektil zu einem Schädelbruch geführt hatte. Die Demonstrierenden werfen der Polizei vor, jede neue »Schutzausrüstung« mit härteren Angriffen gekontert zu haben.

Auch wenn die Stadt bekannt ist für eine lässige Attitüde: Ihre Polizei hat schon lange den Ruf, extrem aggressiv gegenüber Linken und gleichzeitig sehr nachlässig gegenüber Rechten aufzutreten. Seit der Wahl von US-Präsident Donald Trump ist Portland zum Ziel von Gruppen der extremen Rechten geworden, die immer wieder Auseinandersetzungen in der Stadt provoziert haben. Die Polizei hat dabei rechte Aktivisten durch Menschenmassen eskortiert und sie sogar beraten, wie sie eine Verhaftung vermeiden können.

Trump nutzt die Stadt, um ein Exempel zu statuieren, wie Regionen bestraft werden, in denen er unbeliebt ist. Und er macht deutlich, was er unter »Law and Order« versteht. Anfang Juli wurden Sicherheitskräfte der US-Regierung in die Stadt geschickt, um die Lokalpolizei zu unterstützen, was die Situation weiter verschärfte. Bundesagenten gerieten in die Schlagzeilen, als sie in zivil Menschen verhafteten und in unmarkierte Vans zerrten. Nun rief selbst Bürgermeister Ted Wheeler - eigentlich Ziel der Proteste - zum Rückzug der Bundeseinheiten auf. Ende Juli geschah dies tatsächlich, doch die Proteste und die harte Polizeireaktion darauf gingen weiter, während die Stadtregierung versuchte, ihre liberale Wählerschaft zufriedenzustellen und sich gleichzeitig unfähig oder unwillig zeigte, geforderte Polizeireformen auf den Weg zu bringen.

Dann goss die extreme Rechte erneut Benzin ins Feuer. Schon vorher hatten rechte Aktivisten vereinzelt Waffen getragen, seit Mitte August sind sie zentraler Teil der rechten Konvois, die in die Stadt einfallen - sie liegt in einem »open carry state«, in dem das offene Tragen von Waffen legal ist. Die Trump-Unterstützer setzten beim ersten und zweiten Zusammenstoß Mitte und Ende August Paintball-Gewehre und Pfefferspray ein. Ein rechter Aktivist zielte mit einem Revolver auf Gegendemonstranten, ohne in Gewahrsam genommen zu werden. Ein bekannter Anführer der Rechten, dessen Bewährungsauflagen die Teilnahme an Demonstrationen untersagten, konnte offen an der rechten Demonstration teilnehmen. Die Polizei stoppte die Ausschreitungen der Rechten erst spät und zögerlich, das ist kein Zufall, meinen linke Aktivisten.

Am Wochenende darauf sammelte sich eine Karawane rechter Aktivisten in Fahrzeugen mit Trump-Fahnen und anderen rechten Insignien außerhalb der Stadt, um dann in diese einzufahren. Erneut schritt die Polizei bei rechter Gewalt gegen buhende Gegendemonstranten nicht ein. Am selben Abend wurde der rechte Aktivist Aaron »Jay« Danielson unter noch ungeklärten Umständen erschossen. Einen Tag später twitterte US-Präsident Trump zu der Tat und rief dazu auf, »anarchistischen Städten« wie Portland die Finanzmittel zu entziehen. Michael Reinoehl, ein Mann, der sich selbst gegenüber »Vice« als »Antifa« bezeichnete, gestand, der Täter zu sein. Er erklärte, dabei habe es sich um Selbstverteidigung gehandelt. Einen Tag später wurde Reinoehl von der Polizei bei der Verhaftung erschossen - laut Zeugen ohne Warnung.

Die heftigen Waldbrände in Oregon haben in den letzten Tagen zu einem Mobilisierungsstopp auf beiden Seiten geführt, doch für Ende September sind zwei weitere rechte Demonstrationen geplant. Antifaschisten haben Widerstand angekündigt. Es gibt auch bewaffnete linke Gruppen in der Stadt. Doch bisher haben die Ortsgruppen von Redneck Revolt und der Socialist Rifle Association nicht bei den Gegenprotesten eingegriffen. Beobachter in der Stadt vermuten, dass in den nächsten fünf Wochen die Lage weiter eskalieren könnte - in Portland und im ganzen Land.

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