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Drei wache Sekunden reichen
Union Berlin zieht nach einem übervorsichtigen Pokalauftritt in Karlsruhe in die nächste Runde ein
Als das Spiel schon eine halbe Stunde vorbei war, sah man Karlsruhes Kapitän Jerôme Gondorf immer noch im angeregten Gespräch mit dem Mann des Tages. 32 Minuten zuvor, in der 118. Minute des DFB-Pokal-Erstrundenspiels, hatte Union Berlins Verteidiger Nico Schlotterbeck den Bundesligisten mit seinem Treffer in die nächste Runde geschossen. Kurz vor Heiligabend, wenn es ganz dumm läuft sogar am 23. Dezember, haben die Eisernen nun also in der zweiten Pokalrunde ein weiteres Pflichtspiel auf der Agenda.
Worüber der 32-jährige Gondorf und der zwölf Jahre jüngere »Schlotti« redeten, bevor sie schließlich ihre Trikots tauschten, muss derweil spekulativ bleiben. Der Verdacht liegt aber nahe, dass es entweder um die gemeinsam beim SC Freiburg verbrachte Zeit von 2018 bis 2020 ging. Oder eben doch um die Großtat des Jüngeren kurz vorm Abpfiff, als er einen gar nicht mal so toll getretenen Freistoß von Niko Gießelmann als Vorlage für seinen per Seitfallzieher erzielten Siegtreffer nutzte. Es waren drei, vier wache Sekunden, die reichen werden, dass den Union-Fans das Tor des Tages länger im kollektiven Gedächtnis bleiben dürfte als der mühsame Auftritt ihrer Mannschaft zuvor.
Denn es war schon verwunderlich, wie defensiv ein an sich physisch wie mental starkes Berliner Team das Spiel bei einer Karlsruher Mannschaft anging, die in der vergangenen Saison nur mit viel Glück und wenig Verstand die Zweite Liga hatte halten können. Bei gegnerischem Ballbesitz (also sehr oft), kaprizierte sich der Erstligist stoisch auf eine auf einer Linie stehenden Fünfer-Abwehrkette, in die gerne sogar auch mal noch ein sechster Akteur einrückte. Das Spiel nach vorne blieb hingegen Stückwerk, was Karlsruhes Trainer Christian Eichner auch deutlich ansprach: »Ich habe nach 25 Minuten eigentlich nur noch eine Mannschaft gesehen, die den Ball wollte und die das Spiel aufs gegnerische Tor fabrizierte.«
Zur Ehrenrettung der Berliner muss allerdings angemerkt werden, dass deren Offensive derzeit arg gerupft ist. Die Stürmer Max Kruse, Anthony Ujah und Keita Endo mussten allesamt passen, stattdessen spielten Marcus Ingvartsen und Marius Bülter. Cedric Teuchert versuchte sich im Zentrum an vorderster Front und fiel dabei nur selten positiv auf. Nach einer Stunde kam Sheraldon Becker für den ehemaligen Schalker, was sich als sinnvolle Maßnahme erwies.
Bliebe noch die weitaus prominentere Personalie Sebastian Andersson. Die Stammkraft im Sturm hat beim 1. FC Köln Begehrlichkeiten geweckt. Die Verhandlungen sind offenbar schon so konkret, dass Unions Trainer Urs Fischer Andersson lieber gleich zu Hause ließ. »Übers Wochenende steht ein Transferwunsch im Raum«, erläuterte er nach dem Spiel. »Das war der Grund, dass er nicht im Aufgebot war.« Dass Fischer beim Wort »Transferwunsch« ein wenig sarkastisch lachte, könnte man so interpretieren, dass er ihn nur ungerne ziehen lässt.
Dass Andersson nicht mit ins Badische gereist war, deutet hingegen darauf hin, dass es zu spät ist, einen Reisenden aufzuhalten. Zumal der Schwede am Rhein offenbar als Ersatz für Jhon Cordoba eingeplant ist, den es für angeblich 15 Millionen Euro zu Hertha BSC ziehen soll. Bei der Aussicht, dass ein großer Teil dieser Summe also wieder an der Spree, nur eben in einem anderen Berliner Stadtteil landen könnte, dürfte es wenige Argumente für die Unioner geben, sich dem Werben der Kölner komplett zu verschließen.
Es bleibt also spannend rund um die Alte Försterei, wo man sich im Hinblick auf den nahenden Ligastart immerhin mit der Erkenntnis trösten kann, dass die massierte Defensive in Karlsruhe wenig störungsanfällig war. Denn auch wenn der KSC zumindest im zweiten Durchgang optisch überlegen war, lief der Abend für den Berliner Keeper Andreas Luthe dank der Arbeit seiner Vorderleute recht entspannt ab.
Seinem Gegenüber, dem gebürtigen Berliner Marius Gersbeck, dürften derweil die Gesänge der 450 Zuschauer weit besser gefallen haben als die Ergebnisse der ersten Pokalrunde. »Hertha und der KSC - die Freundschaft« wurde da intoniert. Doch beide Vereine sind nun raus. Vor Karlsruhes Niederlage gegen Union war Gersbecks Lieblingsverein Hertha BSC schon am Freitag beim Drittligisten Braunschweig ausgeschieden.
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